nd-aktuell.de / 27.07.2017 / Politik / Seite 8

Symbol für Mexikos systemische Korruption

Der Ex-Gouverneur Javier Duarte muss sich nach der Auslieferung vor Gericht verantworten - Verurteilung ungewiss

Andreas Knobloch

In den zwölf Stunden, die die Anhörung dauerte, sprach Javier Duarte nicht mehr als vier Worte. Stillschweigend, in kakifarbener Gefängnisuniform, hörte der frühere Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Veracruz wie der Vorsitzende Richter beschied, es gebe ausreichend Beweise für eine Anklage. Nach seiner Auslieferung von Guatemala nach Mexiko Anfang Juli wird Duarte nun also ab Anfang 2018 der Prozess gemacht.

Die Liste der Vorwürfe gegen ihn ist lang. Duarte werden organisiertes Verbrechen und Geldwäsche vorgeworfen; er soll 26 Millionen US-Dollar in die eigenen Taschen abgezweigt und ein Loch von mindestens 837 Millionen US-Dollar in öffentlichen Kassen hinterlassen haben. Kein Politikfeld - von Gesundheit über Bildung, Infrastruktur, Armutsbekämpfung bis hin zu Sicherheit -, das nicht durch Korruption und Veruntreuung in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Zudem fallen in Duartes sechsjährige Regierungszeit zahlreiche Morde an Journalisten und soziale Aktivisten. Die mexikanische Staatsanwaltschaft teilte mit, sie habe Bankkonten und Immobilien Duartes in der Schweiz entdeckt. Ein Ersuchen um internationale Rechtshilfe sei gestellt worden, um von der Schweiz entsprechende Informationen zu erhalten.

Duarte war im April in Guatemala aufgespürt und festgenommen worden, nachdem er zuvor ein halbes Jahr lang auf der Flucht gewesen war. Der Fall des früheren Gouverneurs von Veracruz ist einer der beispielhaftesten Korruptionsfälle in Mexiko und zugleich der größte Politskandal während der Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto. Beide gehörten der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) an bis Duarte Ende vergangenen Jahres ausgeschlossen wurde.

Der medienträchtige Fall des Gouverneurs von Veracruz hat der ohnehin angeschlagenen PRI und dem im Popularitätstief steckenden Präsidenten schwersten Schaden zugefügt. Galt der 43-Jährige doch einmal als das Aushängeschild einer erneuerten und verjüngten PRI. Die »ewige Regierungspartei« war im Jahr 2000 nach 71 Jahren an der Macht abgewählt worden. Unter Enrique Peña Nieto gelang ihr 2012 die Rückkehr an die Macht - mit dem Versprechen einer Erneuerung. Zusammen mit anderen jungen Gouverneuren wie Beto Borge in Quintana Roo oder dem nicht mit ihm verwandten César Duarte in Chihuahua verkörperte Javier Duarte in gewisser Weise den angekündigten Neuanfang. Heute gilt Javier Duarte als Paradebeispiel korrupter Politiker, die gemeinsame Sache mit dem organisierten Verbrechen machen. Nicht zuletzt deshalb ruft sein Fall große öffentliche Aufmerksamkeit hervor.

Als »feste und starke Botschaft des mexikanischen Staates gegen die Straflosigkeit« hatte Peña Nieto die Festnahme Duartes bezeichnet. Dabei wusste der Präsident seit Beginn seiner Amtszeit von dem Treiben Duartes. Es liegt also der Verdacht nahe, dass die Bundesregierung den Gouverneur nicht kontrollieren konnte oder wollte. Nicht einmal eine Untersuchung wurde eingeleitet. Dabei gab es seit Langem Anzeichen für die in Veracruz herrschende Korruption: die Absprachen mit kriminellen Gruppen, die mangelnde Kontrolle der Polizeikräfte und die rasche Bereicherung verschiedener Beamter im Umfeld des Gouverneurs. Erst als die PRI im Sommer 2016 erstmals seit 80 Jahren die Wahlen im Bundesstaat Veracruz verlor, stürzte das Kartenhaus aus Korruption, Seilschaften und Immunität zusammen.

Dass nun ausgerechnet die PRI-Bundesregierung, die jahrelang das korrupte Treiben Duartes tolerierte, dafür verantwortlich sein wird, ihm den Prozess zu machen, gehört zur Tragikkomik der Geschichte. Ob Duarte letztlich wirklich lange hinter Gittern landet, ist angesichts des mexikanischen Justizapparates dabei alles andere als ausgemacht.