nd-aktuell.de / 31.07.2017 / Kultur / Seite 15

Mosekunds Montag

Wolfgang Hübner

Herr Mosekund wollte verreisen und kaufte eine Fahrkarte. »Bitte im Ruhebereich«, sagte er. »Der Ruhebereich ist in dem von Ihnen gewünschten Zug leider ausgebucht«, antwortete der Mann am Fahrkartenschalter. »Freie Plätze gibt es nur noch im Geräuschbereich.« Am Reisetag hatte Herr Mosekund kaum seinen Platz eingenommen, als sich der Zug in Bewegung setzte und im Großraumabteil ein unbeschreiblicher Lärm ausbrach. Musik wurde gehört, die Mitreisenden telefonierten, stritten, spielten Karten und erzählten Witze. Herr Mosekund saß still auf seinem Platz, bis der Schaffner kam. »Mein Herr, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich dem Geräuschbereich entsprechend verhalten müssen«, sagte er. »Genau, er spricht kein Wort«, beschwerte sich ein Fahrgast. »Ich bin ja wohl nicht gezwungen, an diesem Radau teilzunehmen«, wandte Herr Mosekund ein. »Und ob«, entgegnete der Schaffner, »ansonsten könnte ich Sie des Zuges verweisen.« - »Ich werde mich über Sie beschweren«, rief Herr Mosekund erbost. »Ich könnte sogar augenblicklich die Notbremse ziehen und Sie hinauswerfen«, erklärte der Schaffner. »Jetzt reicht es«, schrie Herr Mosekund, sprang auf und schlug mit der Faust gegen die Fensterscheibe. »Ich lasse mich von Ihnen nicht schikanieren!« Beifall brandete auf im Geräuschbereich, vereinzelt ertönten Bravo-Rufe. »Na also, es geht doch«, sagte der Schaffner, »wünsche eine angenehme Weiterreise.«