nd-aktuell.de / 02.08.2017 / Kultur / Seite 13

Journalistin von Format

Lilly Becher

Christel Berger

Lilly Korpus war eine ungewöhnliche Frau. 1901 geboren, gehörte sie zu der Generation von Frauen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die neuen Möglichkeiten zur Emanzipation mit ganzer Kraft auszufüllen versuchten. Erst »höhere Mädchenschule« (das Gymnasium war bayrischen Mädchen damals verwehrt), dann Studium und sehr bald auch politische Entschiedenheit. Rolf Harder hat das Leben dieser interessanten Frau genau verfolgt. In seinem Buch enthüllt er einige Geheimnisse und bleibt bei der Beschreibung aller Wendungen ihres Lebens ein sachlicher Chronist.

Mit 18 Jahren trat Lilly Korpus in die KPD ein und musste sich seitdem - mit den Eltern hatte sie gebrochen, das Studium aufgegeben - allein durchbringen. Sie arbeitete als Stenotypistin und diente von der Pike auf in verschiedenen linken Zeitungen. Als 23-Jährige leitete sie die neue kommunistische Zeitung »Die Arbeiterin« und brachte sich selbstbewusst als Funktionärin in die damaligen Auseinandersetzungen innerhalb der Partei ein. Willi Münzenberg erkannte ihr Talent und machte sie 1927 zur Chefredakteurin der bekannten »Arbeiter Illustrierten Zeitung« (AIZ). Außerdem beauftragte er sie zur Herausgabe größerer Dokumentationen. Sie arbeitete mit Kurt Tucholsky, Erich Weinert, John Hartfield und anderen Größen dieser Zeit zusammen. Lange noch nach 1933 blieb sie eine sehr enge Mitarbeiterin des großen Medien-Organisators Münzenberg.

Das Exil in Österreich und Frankreich wurden ihr zu Lebensstationen, hier begegnete sie Johannes R. Becher und verliebte sich in den von Heimweh und Depressionen geplagten Dichter. Er holte sie nach Moskau, wo sie wieder als Journalistin arbeitete, aber doch vor allem die für ihn sorgende Ehefrau war. Sie beschaffte die Bücher, die er brauchte. Sie lernte und sprach Russisch. Sie setzte sich dem Misstrauen der deutschen kommunistischen Emigranten aus, die ihr eine frühere Anhängerschaft zu Ruth Fischer und die Mitarbeit bei Münzenberg nicht verzeihen wollten.

Nach dem Krieg leitete sie anfangs in der DDR die »Neue Berliner Illustrierte« (NBI), arbeitete beim »Demokratischen Frauenbund Deutschlands« (DFD) und wachte über die Publikation, Bewahrung und Würdigung des Werks ihres 1958 verstorbenen Mannes. Wie viele Witwen stellte sie bis zum Ende ihres Lebens 1978 bei der Erfüllung dieser Aufgabe hohe Ansprüche und scheute dabei auch die Auseinandersetzung mit den führenden Genossen nicht.

Rolf Harder: Lilly Korpus, verheiratete Becher. Biographische Notizen. Edition Schwarzdruck Gransee, 150 S., geb., 18 €.