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Giersch und Freundlichkeit

Leben nach Lust und Laune auf der Internationalen Gartenausstellung Berlin

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Rodelbahn ist geschlossen. Soll dies das Einzige sein, was zu bemängeln ist? Ein gänzlich positiver Artikel? Wenigstens haben wir den Giersch - Sie wissen schon, dieses lästige Unkraut, das sich über Wurzelausläufer vermehrt (in meinem Garten habe ich den Kampf dagegen aufgegeben und nutze es lieber als Wildgemüse). In gepflegten Anlagen hat Giersch nichts zu suchen. Aber auf der Internationalen Gartenschau sah ich jetzt mehrere Quadratmeter störungsfrei vor sich hin wuchern: Sieh an, ein prächtiger Bodendecker. Und eine große Wiese gibt es mit Rainfarn, Schafgarbe, Beifuß und was für anderen «Unkräutern» noch, die hoch wachsen, wenn nicht gemäht wird, und sich immer wieder aussamen. Aber das fand ich gerade schön.

Und es soll hier wohl auch so sein, dass Gestaltetes, Geformtes sich mit Urwüchsigem, Wilden verträgt. Nichts gegen Gärten, in denen die Rosen sofort akkurat zurückgeschnitten sind, damit sie schnell neue Blüten treiben. Doch wo alles streng angeordnet erscheint, jedes Kräutlein, jedes Blättlein dazwischen eilig entfernt wird, ahne ich auch sonstige Strenge.

Der Japanische Garten gewinnt seinen Reiz aus einem strengen Konzept, der Orientalische wahrscheinlich auch, der Christliche sowieso. Und es sind sogar noch mehrere neue Projekte zu besichtigen wie «Cultivates by Fire» aus Australien, «Being under the Trees» aus Chile, der «Versunkene Garten» aus Libanon, «Garden of the Mind» aus Thailand, «Garden of Vulcan» aus Großbritannien, die auf dem iga-Plan unter dem Begriff «Internationale Gartenkabinette» zusammengefasst werden und Besucher dann umso mehr überraschen, wenn sie davorstehen.

Besonders eindrucksvoll: «Dule Yuan» («Garten des abgeschiedenen Vergnügens), für den sich Zhu Yufan aus China von einem Gemälde aus dem 16. Jahrhundert inspirieren ließ. Auf einem von Bambus gesäumten Weg gelangt man zu einer fast schon futuristisch anmutenden Hütte aus Bambusstäben. Von dort öffnet sich der Blick auf einen Wasserkanal. Und dann wird einem ein eigentümliches Erlebnis geschenkt. »Schau mal da hinten«, sagt eine jüngere Frau neben mir zu einer älteren, »wo das Wasser aufhört, ist die gleiche Hütte wie hier. Kannst du dich selber sehen?« Und da entdecke ich es auch in der Ferne: ein Schimmern, ein Geheimnis. »Ein schwarzer Spiegel«, sagt die Frau. Nun, schwarz ist er nicht, aber auch nicht silbern und auch sonst wohl besonders. Die Idee war sicher, den Raum in die Weite zu öffnen. Und nicht nur das. Es steckt eine Philosophie dahinter. Man wird gewahr, wie fließend die Grenzen zwischen Existierendem und Imaginärem sind. Wäre man wirklich allein in diesem Garten, was wahrscheinlich zu keiner Zeit auf der iga möglich ist, würde man in einen meditativen Zustand versetzt.

»Dule Yuan« ist neu; den chinesischen »Garten des wiedergewonnenen Mondes« gibt es schon seit 1994. Im »Berghaus zum Osmanthussaft« am See »Spiegel des Himmels« kann man über 30 Sorten grünen, weißen, schwarzen Tee probieren und jetzt im Sommer einen besonders kühlenden Kräuteraufguss, der Yin und Yang in Einklang bringen soll. Probieren Sie unbedingt das Dampfbrot dazu.

Das kulinarische Angebot, mitunter gescholten, ist in Wirklichkeit vielfältig - von Currywurst und Pommes bis zu Spezialitäten im Cottage des neuen Englischen Gartens. Da die Gastronomen das Ihre zur Schau beitragen müssen, kann es nicht ganz billig sein. Aber es ist auch nicht überteuert, und wer will, packt mitgebrachte Würstchen und Äpfel aus. Picknick ist ausdrücklich erlaubt. Wie angenehm! Wie freundlich, dass es auf den weiten Rasenflächen Stühle, und sogar Liegesessel gibt fürs Mittagsschläfchen und dass die Kinder so viele Spielplätze haben. Bei heißem Wetter ist der Wasserspielplatz natürlich am beliebtesten. Leben nach Lust und Laune; nirgends fühlt man sich reglementiert.

Im Café »Wolke Sieben« auf dem Gipfel des Kienbergs kann man einen vortrefflichen Eiscafé genießen und dann zum neuen Aussichtspunkt »Wolkenhain« hinaufsteigen (es gibt auch einen Fahrstuhl). Den Ausblick sollte man nicht versäumen. Dann zu Fuß den Kienberg hinunter, durch scheinbar naturbelassene Landschaften zum Wuhleteich wandern. Oder wieder in die Seilbahn steigen. Die ist für viele die Lieblingsattraktion, zumal man so oft fahren kann, wie man will. Hoffentlich, hoffentlich bleibt sie bestehen, wenn die iga am 15. Oktober zu Ende geht.

Die »Gärten der Welt« gibt es doch weiterhin, das Areal soll, wie man hört, ab 2018 nicht kleiner, sondern sogar noch größer werden. Und die Eintrittspreise? So gerechtfertigt die 20 Euro jetzt sind - die iga ist ein aufwendiges Unternehmen, das vielen Menschen Arbeit gibt -, man hätte mehr Besucher, wenn diese nicht so tief in die Taschen greifen müssten. Mit zwei Millionen wurde gerechnet; zur Halbzeit waren es 750 000, aber es liegen ja auch noch schöne Sommer- und Herbsttage vor uns.

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