nd-aktuell.de / 03.08.2017 / Politik / Seite 4

Mündiger Rabbi

Personalie

Karlen Vesper

Seinem »faszinierenden Religionslehrer« in niederbayrischer Kleinstadt, der die Schüler zu Aufgeschlossenheit und Neugier ermunterte, verdankte sich, dass er zum Judentum fand. Wobei er seine Entscheidung als Jugendlicher »nicht als Wertentscheidung gegenüber anderen Religionen verstanden wissen« will, wie Walter Homolka betont.

Nach dem Abitur studierte der 1964 in Landau an der Isar Geborene Theologie, Philosophie und Judaistik, promovierte über den Rabbiner Leo Baeck, wurde selbst praktizierender Rabbi, lehrte in New York, Budapest, Jerusalem und ist seit 2002 Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, des ersten Rabbinerseminars in Deutschland seit dem millionenfachen faschistischen Judenmord.

So stringent, wie hier zu lesen, verlief indes sein beruflicher Werdegang nicht; zwischendurch war er u. a. für Greenpeace tätig. Und nun also wurde er zum Vorsitzenden der Union progressiver Juden im deutschsprachigen Raum gewählt. »Ich möchte dem liberalen Judentum in Deutschland eine laute und vernehmliche Stimme geben«, betonte er zur Inauguration. Dabei werden an Homolkas School of Jewish Theology, deren Eröffnung vor vier Jahren er als Erfüllung 200-jähriger Forderung nach Gleichberechtigung der jüdischen Theologie mit den christlichen Theologien preist, auch konservative Rabbiner und Rabbinerinnen (!) ausgebildet. »Wir müssen selbst im Wissen um die Tradition abwägen, welche Gebote uns im Konfliktfall wichtiger sind«, schreibt er in seinem just erschienenen Buch mit dem programmatischen Titel »Übergänge« (Patmos, 210 S., geb., 18 €). »Sollten wir Gebetstexte der Vergangenheit unangetastet lassen, auch wenn sie schon lange nicht mehr das aussagen, was wir für wahr halten?«, fragt er rhetorisch, um sodann an den mündigen Menschen zu appellieren.

Homolka engagiert sich nicht nur im inner-, sondern auch interreligiösem Dialog, den Islam eingeschlossen, und ist zugleich streitbar und konsequent, blieb etwa einmal aus Protest gegen die »Judenmission« eines (deutschen) Papstes dem Katholikentag fern.