Die Utopie weicht dem Ordnungsamt

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wie stellen wir uns eine zukunftsfähige Gesellschaft von morgen vor?« Unter diesem Motto hatten sich ab Samstag knapp 100 Personen auf einem Grundstück in Siehdichum (Oder-Spree) eingefunden. Inmitten von Hütten hatten sie ihr Lager aufgeschlagen. Bis 5. August wollten sie Vorträge hören, diskutieren und ein Zusammenleben frei von Hierarchien ausprobieren. Doch am Mittwoch kam die Polizei.

Es ging um die Beendigung von Ordnungswidrigkeiten: Verstöße gegen Brandschutz und Hygienebestimmungen, aber auch Hausfriedensbruch. Vom Amt Schlaubetal zur Amtshilfe angeforderte Kräfte der Polizeidirektion Ost setzten die vom Ordnungsamt am Vortag verfügte Räumung des Camps und das Platzverbot durch. Das Amt spricht von bis zu 40 Beamten, die durch einen Hubschrauber unterstützt wurden. Bis zum Abend holte die Polizei zwischen 20 und 30 Campbewohner von umstehenden Bäumen, auf denen sie sich verschanzt hatten. Rund 30 Personen seien zur Feststellung der Identität in die Gefangenensammelstelle Frankfurt (Oder) gebracht worden, teilte das »utopival«-Team mit. Die letzten von ihnen seien erst seit Donnerstagmittag auf freien Fuß.

Matthias Vogel, Amtsdirektor des Schlaubetals, bedauert den Eklat. »Ich habe nichts gegen alternative Aktionen«, sagte er am Donnerstag dem »nd«. »Wir sind keine Verhinderer. In Zukunft sollten die Leute aber einfach mal vorher fragen.« Man befinde sich in Nachbarschaft eines Naturschutzgebietes, doch im Lager seien immer wieder offene Feuerstellen betrieben worden, die Hygiene habe nicht den Vorschriften entsprochen.

Der Mitmachkongress - ein Projekt des Utopia-Netzwerks - werde geldfrei, vegan, ökologisch und solidarisch organisiert, heißt es. Eingeladen dazu hatte eine Familie, die das Gelände mit Billigung des Pächters nutzt. Der lebt im Westen und hat für ein Massenevent keine Erlaubnis erteilt.

Laura vom »utopival«-Team teilt die Ansicht des Amtsdirektors, der den Beamten besonnenes, professionelles Handeln bescheinigte. »Die haben ihren Job gemacht«, sagte sie. Und sie distanzierte sich von den Baumbesetzern.

Eine Mitarbeiterin des Vereins »Heilsames Miteinander« dagegen, der auf dem benachbarten Privatgelände ein Schulungszentrum plant, spricht von einem »rabiaten« und »überzogenen« Einsatz. Sie habe die Beamten, die auf der Suche nach »Linksextremen« gewesen seien, vom Grundstück weisen müssen.

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