nd-aktuell.de / 08.08.2017 / Kultur / Seite 17

Neugierig und aufnahmebereit

Gedenkblatt für den Schriftsteller Hans Weber

Matthias Biskupek

An diesem Dienstag ist es 30 Jahre her, dass Hans Weber mit kaum fünfzig verstarb. Am 14. Juli 1937 in Crossen an der Oder geboren, in Spremberg aufgewachsen, war er früh bekannt, gar berühmt geworden. Er war Mitte zwanzig, da druckte die Zeitschrift »Für Dich« seinen Debüt-Roman in Fortsetzungen: »Mit Gabi in Bomsdorf«. Jugendbücher wie »Sprung ins Riesenrad« »Meine Schwester Tilli« oder »Alter Schwede« begeisterten Leserinnen und Leser. Weber wirkte und war jugendlich, der Jugendverlag »Neues Leben« sein Verlag, seine Buchhelden waren meist im jugendlichen Alter.

Mit dreißig hatte er das Lehrerbildungsinstitut, Lehrerjahre und ein Studium am Leipziger Literaturinstitut hinter sich und wurde freischaffend. Das sahen leitende Genossen nicht gern, junge Schriftsteller gehörten zunächst mitten unter die Arbeiterklasse. 1970 wurde Weber selbst zum Poesielehrer, als einer der Gründerväter des Schweriner Poetenseminars, eines jährlichen August-Treffpunkts von gut hundert Schreib-Talenten. Ein mehr oder weniger bekannter Autor scharte eine gute Handvoll Anfänger in einer Seminargruppe um sich. Dort lernte ich Hans Weber Anfang der Siebziger kennen: Er war bedächtig und witzig, nachdenklich und spontan, eine wunderbare Mischung. Wir trafen uns auch später bei Werkstätten oder im Schriftstellerheim Petzow.

Hans Webers poetisches Credo: »Wenn einer mit dem Schreiben beginnt und in falsch verstandener Abgrenzung alles ablehnt, was vor ihm geschrieben wurde, so ist das allenfalls komisch, beweist aber auch, dass ihm die vielleicht wichtigsten Elemente schriftstellerischen Talents fehlen: Neugier und Aufnahmebereitschaft. Wenn ein Seminarleiter nicht begreift, dass einige seiner ›heiligen Kühe‹ von den Jungen einfach nicht angenommen werden können, weil Entwicklung eben auch Ablösung bedeutet, dann zeigt er dieselbe Unreife wie sein alles ablehnender Seminarteilnehmer.«

Für sein Buch »Einzug ins Paradies« (1979) fand er eine bezeichnende Metapher: Den Neubaublöcken fehlten beim Erstbezug noch die Abgrenzungen zwischen den Balkonen, die gerade einziehenden Familien kommen so miteinander ins Gehege und ins Gespräch. Die erste Woche des Zusammenlebens entscheidet über die »Hausgemeinschaft«. Insofern schien das Buch idealer Begleiter für das »Wohnungsbauprogramm der SED«, das zwischen 1976 und 1990 das Wohnungsproblem als soziales Problem lösen sollte. Es wurde eine sechsteilige Fernsehserie beschlossen, geschrieben, gedreht, 1983 fertiggestellt. Doch Fernsehen ist nicht Roman, zu viele Wichtigtuer sahen den Sozialismus gefährdet. Als man sich nach Änderungen und Schriftstellerprotesten schließlich 1987 zur Ausstrahlung entschloss, konnte Weber das nicht mehr erleben.

Er wurde in der Künstlerabteilung auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde beigesetzt. Nebenan ruhen Irmtraud Morgner und Herbert Nachbar, auch diese beiden zu früh vollendet. Man darf, soll und muss sich in diesem Land erinnern.