nd-aktuell.de / 10.08.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Rossmann als Türöffner

Der Onlinehändler Amazon kooperiert künftig mit der Drogeriekette

Stefan Uhlmann

Mitglieder von Amazon Prime können für ihre 69 Euro Jahresgebühr ab sofort nicht nur Filme schauen, Musik streamen und den Premiumversand nutzen, sondern auch über 5000 der 17 000 Rossmann-Produkte ordern, sofern sie in Berlin wohnen. Den Deal gab Amazon am Mittwoch bekannt. Bei Erfolg könnte München folgen. Es ist die erste derartige Kooperation mit einem Großen der Branche. Rossmann gehört zu den Top Ten im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Im Onlinehandel hat das Unternehmen bescheidenen Erfolg - nur 28 Millionen Euro 2016 betrug sein Umsatz da. Peanuts bei einem Gesamtumsatz von 6,1 Milliarden Euro hierzulande.

Für Rossmann ist der neue Vertriebskanal ein wichtiger Schritt im umkämpften Drogeriemarkt. Das Unternehmen hat in Deutschland zwar mehr Filialen als Rivale dm, macht aber weniger Umsatz. Mit deutlichem Abstand folgen Müller und Budnikowksy, das neuerdings mit Edeka kooperiert. Rossmann befindet sich auf Wachstumskurs, 220 neue Filialen sollen 2017 eröffnen, die Hälfte im Ausland. In Polen, Ungarn, Tschechien, Albanien und der Türkei erwirtschaftet Rossmann ein Viertel seines Umsatzes. Was der Deal mit Amazon für den Bestand der Filialen bedeutet, bleibt abzuwarten.

Amazon hatte bereits erfolglos versucht, eine Partnerschaft mit dm aufzubauen. Nun bekommt er über Rossmann eine Eintrittskarte für den Einzelhandel. Rossmann bestimmt Preise und Sortiment, Amazon stellt die Verkaufsplattform und liefert aus. Interessant dürften auch die Kundendaten sein. Bei Rossmann kaufen täglich 1,7 Millionen Menschen ein.

Mit Amazon Fresh ist der Konzern auch in den Onlinehandel mit Lebensmitteln eingestiegen, eine Kampfansage an die Branchengrößen Edeka, Rewe, Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi. Selbst der Fußball ist für Amazon kein Tabu. Mit Beginn der neuen Saison bietet Amazon Prime-Mitgliedern Audioübertragungen der Bundesliga an und attackiert damit die Konferenzschaltungen der öffentlich-rechtlichen Sender. Es spreche nichts dagegen, künftig auch Videoinhalte zu vermarkten, machte Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber im »Tagesspiegel« deutlich.

In den USA geht Amazon auch den umgekehrten Weg in den stationären Handel: Der Konzern kaufte die Biokette Whole Foods für 13,7 Milliarden Dollar. In Seattle und New York eröffnete Amazon Läden. Derlei hat man hier nicht vor. So hat sich der stationäre Buchhandel mit rund 6000 Filialen gegen die Onlinemacht gehalten. Der Umsatz ist so hoch wie vor zehn Jahren. Die Buchpreisbindung ist ein Grund, auch bieten Händler selbst Onlinevertrieb an, haben einen eigenen E-Reader im Angebot. Amazon bastelt unterdessen an einem neuen Ladenkonzept. In Seattle gibt es einen kassenlosen Laden, bezahlt wird über Smartphone und Sensoren. Für »Amazon Go« sucht man noch Standorte in den USA und Europa.