Freihändig auf schwierigem Terrain

Freie Wähler kritisieren die Auftragsvergabe der Stadt für die Marina Teltow

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Landtagsabgeordnete Pèter Vida (Freie Wähler) hat der Kommunalaufsicht vorgeworfen, selbst offensichtliche Verstöße gegen geltendes Recht nicht zu ahnden. Konkret unterstellte er der Behörde am Dienstag die Pflichtverletzung, auch bei vielfacher Überschreitung von Höchstbeträgen bei der freihändigen Vergabe von öffentlichen Aufträgen von kritischen Nachfragen abzusehen.

Vida verwies auf das Beispiel des Hafens in der Stadt Teltow. Dort sei ein unerfahrenes Planungsbüro mit dem umstrittenen Projekt ohne Ausschreibung beauftragt worden, obwohl es 450 000 Euro Planungskosten geltend gemacht habe. Die Wertgrenze, bei der eine Stadtverwaltung einen Auftrag freihändig, also ohne Ausschreibung, vergeben dürfe, liegt laut Vida bei 100 000 Euro.

Bezeugt wurde der Vorfall vom Stadtverordneten Andreas Wolf von der Wählergruppe »Bürger für Bürger«. Gesetzlich sei den Kommunen vorgeschrieben, auf die perspektivische Wirtschaftlichkeit ihrer Investitionsprojekte zu achten. Als die Planungen für die Marina Teltow mit 39 Bootsliegeplätzen begannen, sei man von Baukosten in Höhe von 3,9 Millionen ausgegangen, berichtete Wolf. Vor allem die schwerwiegende Kontaminierung des Bodens habe das Projekt jedoch bis zum heutigen Tage auf 25 Millionen Euro verteuert. »Dieser Hafen wird niemals rentabel«, meinte der Stadtverordnete.

Teltow stehe finanziell gut da. Keine Kommune in Deutschland habe prozentual mehr Zuzug, fügte Wolf hinzu. Eine Schwimmhalle wäre vor diesem Hintergrund sinnvoll, zumal heutzutage immer weniger Kinder in der Schule so richtig schwimmen lernen. Es sei also besser, die Marina jetzt nicht weiter auszubauen und in Kombination mit Restaurant und Schwimmhalle noch eine Wirtschaftlichkeit des Hafens hinzubekommen.

Inzwischen sei das Planungsbüro ersetzt worden durch ein anderes, das 250 000 Euro kassiert habe, ergänzte der Lokalpolitiker. Auf seine Intervention hin, dass dies ebenfalls eine bedeutende Überschreitung der Freihändigkeitsgrenze darstelle, habe nach einigem Hin und Her der Bürgermeister reagiert. Nun habe er im Nachgang den Auftrag für 60 000 Euro vergeben, die übrige Summe ausgeschrieben.

Erst durch die »Schuld« der Stadt, das heißt durch den Beginn der Bauarbeiten, sei es zu den gewaltigen Kosten bei der Altlastenbeseitigung gekommen, betonte Wolf. Hätte man alles im ursprünglichen Zustand belassen, wären auch keine Kosten entstanden. Im jetzigen Stadium seien lediglich Teile des vorgesehenen Grundstücks saniert. Das heiße, bei Fortsetzung der Bauarbeiten würden weitere Millionen gezahlt werden müssen, obwohl die Verantwortlichen dies nicht wahrhaben wollten und ohne vernünftige Begründung mit niedrigen Summen kalkulieren.

Wolf zitierte die Antwort der Kommunalaufsicht auf seine Einwände, wonach die Kommunalaufsicht »keine Rechtsberatung« leisten wolle. Die Prüfung des Vorgangs sei mit der Maßgabe abgelehnt worden, dies solle »die Stadt klären«. Damit würde aber Unrecht durch Mehrheitsbeschluss gedeckelt, kritisierte Wolf. Die Kommunalaufsicht verweigere Korrekturen und Sanktionen, obwohl es eine »Riesenüberschreitung« des gesetzlich vorgegebenen Schwellwertes gegeben habe.

Der Landtagsabgeordnete Vida verwies auf ein Rundschreiben des Innenministeriums, auf das sich die Kommunalaufsicht berufe. Demzufolge sei von einer Prüfung und Verfolgung abzusehen, wenn nicht ein öffentliches Interesse überwiege, nicht in erheblichem Umfang gegen die Regeln verstoßen worden sei und »lediglich« Klagen unterlegener Konkurrenten im Raum stünden.

Brandenburg habe bezogen auf Korruptionsverhinderung in den vergangenen Jahren »viel dazugelernt«, gestand Vida zu. Die Höchstgrenzen bei der Vergabe von kommunalen Aufträgen seien bewusst gezogen worden, um Transparenz zu garantieren. Es sei auch im Interesse der Freien Wähler, dass Unternehmen aus der Region gestärkt und in erlaubtem Umfang bevorzugt werden, setzte er hinzu. Das dürfe aber keine Begründung für Vorfälle sein, in denen Kontrolle regelrecht ausgeschaltet werde.

Das Problem sei, dass die Kommunalaufsicht hier informiert worden sei und dennoch nicht tätig wurde, monierte der Landtagsabgeordnete. Es könne aber nicht sein, dass eine Stadt Millionenprojekte verfolge, ohne dass die Sinnhaftigkeit oder der ökonomischer Nutzen auch nur halbwegs nachgewiesen werden.

Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) war kurzfristig für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Nach einem Bericht der »Potsdamer Neuesten Nachrichten« (PNN) sollen über rund dreieinhalb Jahre hinweg etwa 9000 Euro monatlich pauschal an das Planungsbüro gezahlt worden sein. Die PNN zitierte Bürgermeister Schmidt aus der Antwort auf eine Anfrage. Demnach habe die Stadt die Dauer des Auftrags nicht vorhersehen können. Auch sei der Auftrag so vom Hauptausschuss abgesegnet worden.

Derweil ist im Internet via Baustellenkamera zu besichtigen, wie ein Baufahrzeug eine Menge Erdreich bewegt. Unter der Überschrift »Volle Kraft voraus!« heißt es über die Marina in einer Projektbeschreibung visionär: »Radfahrer und Spaziergänger gönnen sich eine Pause am Wasser. Freizeitkapitäne legen mit ihren Schiffen an. Wasserwanderer ziehen ihre Kanus an Land. Von steinernen Sitzterrassen und einem Biergarten aus genießen Besucher das maritime Flair Teltows. So soll es bald sein!«

Über den Baugrund am Teltowkanal wird freimütig eingeräumt, dieser gelte als schwierig. »Teer, Schutt und anderer Müll sind bei Untersuchungen gefunden worden«, heißt es. »Aber auch der Bau des Teltowkanals vor über 100 Jahren hat den Boden verändert. Landrat Ernst von Stubenrauch ließ seinerzeit den nahen Schönower See mit dem Aushub für den Kanal zuschütten - so kommt es, dass sich auch getrockneter Seeschlamm in Form von feinem schwarzen Sand im Boden finden lässt.« Zu einer der größten Herausforderungen zähle deshalb heute die umweltfreundliche Reinigung und Entsorgung des Bodenaushubs.

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