nd-aktuell.de / 21.08.2017 / Politik / Seite 7

Ganz Finnland trauert

Polizei stuft Messerangriff eines Marokkaners als Terroranschlag ein

Bengt Arvidsson, Stockholm

Am Sonntagmorgen um 9.30 Uhr legten Bürger und Vertreter von Regierung, Polizei sowie Kirche Blumen auf dem Marktplatz der alten finnischen Hafenstadt Turku nieder und zündeten Kerzen für die Opfer der Messerattacke vom Freitagnachmittag an. Um zehn Uhr folgte eine Schweigeminute im ganzen Land. Die kleine Nation in Nordeuropa mit nur 5,5 Millionen Einwohnern befindet sich auch zwei Tage nach dem ersten vermutlich islamistischen Terroranschlag im Schockzustand. Acht von zehn Opfern waren Frauen.

Ein erst 18-jähriger Marokkaner, der laut Polizei 2016 als Asylbewerber nach Finnland kam und wahrscheinlich Radikalislamist sei, stach am Freitag zur Hauptgeschäftszeit gegen 16 Uhr im Zentrum Turkus mit einem großen Messer Passanten nieder. Polizisten in der Nähe stoppten den flüchtenden Täter und schossen ihm ins Bein. Er habe es zielgerichtet »auf Frauen abgesehen«; die Männer wurden verletzt, weil sie die Frauen retten wollten. So wie der 45-jährige Stockholmer Urlauber Hassan Zubier, selbst mit muslimischen Wurzeln, der nun einen Arm verlieren könnte. Er rief dazu auf, nicht eine ganze Volksgruppe für die feigen Taten Einzelner zu verurteilen. Auch der muslimische Rat Finnlands verurteilte die Bluttat als »Verbrechen gegen den Islam«.

Der Tatverdächtige hat bisher jede Aussage verweigert. Gegen ihn werde wegen Mordes und versuchten Mordes »mit terroristischer Absicht« ermittelt. Die Sicherheitskräfte prüfen, ob er in Verbindung zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stand. Inzwischen hat die Polizei auch vier mutmaßliche Mitwisser aus Marokko verhaftet. »Wir sind nicht länger eine Insel, der Terror hat Finnland erreicht«, sagte Ministerpräsident Juha Sipilä. Finnland sei aber weiter eines der »sichersten Länder der Welt. Wir arbeiten daran, dass es so bleibt«, versuchte er seine Landsleute zu beruhigen. »Einwanderung weckt starke Gefühle, dafür und dagegen«, sagte er. »Ich appelliere an Meinungsführer, religiöse wie ideologische, mit Besonnenheit und Vernunft zu reden.« Helsinki hat stets eine sehr strikte Einwanderungspolitik verfolgt. Die Rechtspopulisten im Land sind sehr stark. Aber auch Politiker der bürgerlichen Regierungspartei forderten jetzt, abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben.