Streit um die «höhere Gewalt

Reiserecht

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Wie das in der Praxis mit der »höheren Gewalt« zu verstehen ist, erläuterte der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 16. Mai 2017 (Az. X ZR 142/15).

Frau A. hatte bei einem Reiseveranstalter für sich, ihren Ehemann und ihre Tochter eine Pauschalreise in die USA gebucht. Für die Reise beantragte sie bei der Kommune neue Reisepässe für sich und das Kind. Die Pässe wurden rechtzeitig von der Bundesdruckerei ausgestellt und im Einwohnermeldeamt an Frau A. übergeben. Soweit lief alles »glatt«.

Dann kam es zwischen der städtischen Behörde und der Bundesdruckerei zu einem Kommunikationsproblem. Die Bundesdruckerei meldete die zwei Reisepässe und 13 weitere Ausweisdokumente als »abhandengekommen«, weil sie von der Kommune keine Eingangsbestätigung erhalten hatte. Das wurde im Nachhinein von der städtischen Behörde bestritten: Warum es zu diesem Missverständnis kam, blieb vor Gericht ungeklärt.

Für die Reisenden hatte es auf jeden Fall unangenehme Folgen. Frau A. und ihrer Tochter wurde wegen der vermeintlich verschwundenen Pässe der Abflug in die Vereinigten Staaten verwehrt - der Urlaub fiel aus. Einen Teil des Reisepreises rückte der Reiseveranstalter wieder heraus. Die verhinderte USA-Urlauberin war aber der Ansicht, dass ihr der Gesamtbetrag zustehe. Schließlich habe sie die Reise infolge »höherer Gewalt« nicht antreten können.

Dem widersprach der Bundesgerichtshof. Für Juristen sei »höhere Gewalt« ein unvorhersehbares Ereignis, das auch bei sorgfältigem Vorgehen nicht abzuwenden sei. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn ein Reiseveranstalter wegen einer Naturkatastrophe eine Reise nicht durchführen könne. Oder auf Seiten der Reisenden, wenn ein Reiseland wegen einer plötzlichen politischen Krise Reisebeschränkungen anordne und die Reise daran scheitere.

Im konkreten Fall gehe es aber nicht um eine allgemeine Einschränkung der Reisemöglichkeiten - wie etwa eine kurzfristig eingeführte Visapflicht, die alle Reisenden gleichermaßen treffe. Reisende seien prinzipiell selbst dafür verantwortlich, die notwendigen Ausweispapiere für eine Reise mitzuführen. Deshalb müsse Frau A. die Folgen des Missverständnisses zwischen zwei Behörden ausbaden.

Wenn die USA, aus welchen Gründen auch immer, Ausweisdokumente nicht als ausreichend ansehen, sei das ein individuelles Problem des Reisenden (juristisch: »seine Risikosphäre«). Da sei keine »höhere Gewalt« im Spiel, aus der ein besonderes Kündigungsrecht des Reisenden abzuleiten wäre. Daher dürfe der Reiseveranstalter, der das Problem ebenso wenig zu verantworten habe wie Frau A, die übliche Stornogebühr berechnen. Online.Urteile.de

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