nd-aktuell.de / 25.08.2017 / Politik / Seite 3

Aleppos anonyme Zerstörer

Schuld konkret zuzuweisen, ist fast unmöglich

Die Zerstörungen in Aleppo sind allgegenwärtig, und sie beschränken sich nicht auf den einst von Rebellengruppen kontrollierten Ostteil der Stadt. Dort waren während der Bombenangriffe alle Krankenhäuser und andere wichtige Infrastruktureinrichtungen geschlossen und teilweise auch zerstört; Ärzte operierten in improvisierten Operationsräumen.

Aber auch im Westteil Aleppos, wo die Regierung die Kontrolle ausübte, sind viele öffentliche Einrichtungen schwer beschädigt: Immer wieder waren Anschläge auch auf Krankenhäuser verübt worden, wurden ganze Straßenzüge durch Beschuss der Rebellen schwer beschädigt.

Nüchtern betrachtet muss man sagen, dass einige Tausend Rebellen einigen Tausend Soldaten inmitten von mehreren Hunderttausend Menschen gegenüberstanden, die an den Kämpfen weitgehend unbeteiligt waren. Wie viele Menschen dabei umgekommen sind, lässt sich nicht zuverlässig sagen; es gab schlicht keine Stelle, die die Toten registrierte.

Genauso wenig lässt sich also sagen, wer für welche Zerstörung verantwortlich ist: Islamistengruppen machten sich zeitweise an die Zerstörung der Altstadt, syrisches und russisches Militär bombardierte den Ostteil, wo sich dann auch noch verfeindete Rebellen gegenseitig bekämpften und Angriffe auf den Westteil verübten. Menschen im Osten berichten, wie sie von Rebellen gefoltert wurden, weil sie in Verdacht gerieten, die Regierung zu unterstützen, während andere die gleiche Erfahrung mit dem syrischen Sicherheitsapparat gemacht haben.

Gleichzeitig tobt nach wie vor eine Propagandaschlacht: Beide Seiten versuchen, den Krieg für sich zu instrumentalisieren. Oppositionsgruppen erklären, die syrische und die russische Luftwaffe hätten gezielt Krankenhäuser und andere wichtige Einrichtungen im Osten angegriffen. Die Regierung indes sagt, die Rebellen hätten vor ihrem Abzug wichtige Infrastruktur gezielt zerstört.

Außer der Berichterstattung der vergangenen Jahre gibt es weder für das eine noch das andere Belege. Doch die meisten jener Medienberichte stützen sich auf Informationen der in London ansässigen »Beobachtungsstelle für Menschenrechte«. Und deren Quellen sind anonym, und ihre Arbeitsweise ist intransparent.

Oliver Eberhardt