nd-aktuell.de / 25.08.2017 / Kultur / Seite 14

Echt kurios

Philip Dröge über ein wahres Niemandsland

Ernst Reuß

Neutral-Moresnet, auf Deutsch Altenberg, ein 3,4 Quadratkilometer kleiner Landstrich in der Nähe von Aachen, war 1816 bis 1919 ein Niemandsland zwischen den Niederlanden und Preußen. Die Bevölkerung wuchs in dieser Zeit rasant um das 20-fache, umfasste aber dennoch nie mehr als 5000 Einwohner.

Während des Wiener Kongresses konnten sowohl Preußen als auch die Niederlande sich nicht einigen wem der Landstrich gehören sollte, weil ausgerechnet dort eine wirtschaftlich bedeutsame Zinkmine lag. Wegen Napoleons unerwarteter Flucht von der Insel Elba und seiner 100-tägigen Herrschaft, musste dann plötzlich alles sehr schnell gehen. Die Verträge wurden unterzeichnet, Moresnet war nun Niemandsland und wurde zu einem Eldorado für Schmuggler, Abenteurer sowie Steuer- und Kriegsdienstflüchtlinge - bis es im Ersten Weltkrieg von den Deutschen besetzt und danach Belgien zugeschlagen wurde. Mit dem Versailler Vertrag endete am 10. Januar 1920 offiziell die mehr als 100 Jahre dauernde kuriose Episode, in der Moresnet - ähnlich dem Goldrausch in Nordamerika - einen regelrechten Zinkrausch erlebte. Mit den herbeiströmenden Scharen der Glücksritter schossen Kneipen, illegale Schnapsbrennereien, Kasinos und Bordelle aus dem Boden. Der Versuch, zumindest das Glückspiel - nach dem Vorbild von Monaco - in legale Bahnen zu lenken, scheiterte am Widerstand Preußens. Ein einziger Gendarm sollte in Moresnet für Recht und Ordnung sorgen - ein unmögliches Unterfangen.

Der Niederländer Philip Dröge versichert im Vorwort seines interessanten wie unterhaltsamen Buches, das nichts erfunden ist, alle Ereignisse und Personen auf soliden Quellen beruhen. Heute erinnert in Moresnet, das fast die Hauptstadt des Esperanto geworden wäre, ein kleines Museum und ein Denkmal an das Kuriosum der Geschichte.

Philip Dröge: Niemandsland. Die unglaubliche Geschichte von Moresnet,

einem Ort, den es eigentlich gar nicht geben durfte. Piper. 288 S., geb., 22 €.