»Begräbnis« eines Hauses

Kopenhagen: Alternatives Jugendzentrum fällt Abrissbirne zum Opfer

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Proteste sind vorbei: Mit dem Abriss des Jugendzentrums zieht Bedrückung in die alternative Szene ein.
Am Donnerstag vergangener Woche waren es dröhnende Polizeihubschrauber, die zeigten, wo Kopenhagens alternatives Jugendzentrum lag. Die folgenden Tage und vor allem Nächte waren gefüllt mit Sirenengeheul, Schreien, Lärm von Barrikaden, die in aller Hast aufgebaut wurden. Verglichen mit diesen hektischen Tagen herrschte am Montag eine bedrückende »Begräbnisstimmung« unter den hauptsächlich jugendlichen Zuschauern, die verfolgten, wie der Abrissbagger systematisch und mit überraschender Schnelligkeit das Haus abtrug, das fast 25 Jahre lang Mittelpunkt der alternativen Musik- und Kunstszene Kopenhagens war. Der Abriss des Hauses begann schon am Tage nach dem Sturm durch die Polizei, als Arbeiter anfingen, Fenster, Treppen, die Musikbühne und das Inventar abzubrechen. Aber seit Montagmorgen ist der Bagger in Betrieb. Ein paar maskierte Abrissarbeiter waren zu sehen, die mehr als unwillig auf die Neugierigen und die Presse blickten. Die Namenszüge an den Lkw und dem Bagger waren übermalt, die Nummernschilder abmontiert. Die wenigen Polizeibeamten, die die Straße absperrten, damit Platz für die Baufahrzeuge ist, nahmen davon keine Notiz. Andere Firmen hatten sich bereits zurückgezogen, nachdem sie telefonische Drohungen bekommen haben und Steine gegen Autos und Beschäftigte geworfen wurden. Am Montagabend waren die beiden obersten Etagen bereits abgetragen. Bei diesem Tempo wird das Haus heute vermutlich nicht mehr existieren. Dabei sind die Absperrungen um die Baustelle herum nur einfache Seile und wären ohne Probleme zu übersteigen, aber die Zuschauer machen keine Anstalten dazu. In einem Berg von Blumen brennen Kerzen, Pappschilder mit Abschiedsgrüßen sind aufgestellt. »Du wurdest in Liebe geschaffen und starbst an der Arroganz der Macht«, steht auf einem. Neben zufällig vorbeikommenden »Durchschnittsdänen« sind es hauptsächlich die ehemaligen Nutzer des Hauses, die Abschied nehmen. Sie sind problemlos an ihrer »Uniform« - schwarze Kleidung, gern in Leder und mit Nieten besetzt - erkennbar. Aber trotz des martialischen Aussehens ist wenig Aggression zu spüren. Vielleicht ist sie aufgebraucht, vielleicht unterdrückt, das ist schwer zu sagen. Ein paar ausgestreckte Finger sind die einzige sichtbare Reaktion. Dagegen rinnt aus nicht wenigen Mädchenaugen eine Träne und verwischt das Mascara. Verständlich, geht doch eine Epoche zu Ende, in der Jugendliche ihren künstlerischen Interessen in einem Freiraum nachgehen konnten. Dass der Kampfgeist aber nicht völlig verschwunden ist, zeigt ein einsames Schild: »Man kann Minderheiten nicht in den Rachen der Normalisierung zwingen - sie kommen wieder hoch.«
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