nd-aktuell.de / 07.03.2007 / Politik

Gefühlte Weltstadt Sachsens ist arm dran

Soziale Probleme in Leipzig am größten

Hendrik Lasch
Der Glanz der Fassaden trügt: »Boomtown« Leipzig ist Sachsens Stadt mit den größten sozialen Problemen. Das ergab die Studie eines linken Abgeordneten, der Stadt- und Landespolitik verantwortlich macht.
Wenn es gilt, die drei großen sächsischen Städte zu vergleichen, wird ein altes Motto bis zum Überdruss strapaziert. In Chemnitz, so heißt es, werde produziert, in Leipzig gehandelt, in Dresden werde das Geld dann ausgegeben. Wenn es doch nur so wäre, mag sich Dietmar Pellmann gesagt haben, als er eine Studie über die soziale Lage der Städte zusammenstellte. Schließlich lautet deren Kurzfassung: In Leipzig muss besonders viel Geld für Sozialleistungen ausgegeben werden - weil nicht genug gearbeitet werden kann. Pellmann hat Dutzende von Tabellen und Statistiken zusammengetragen: Arbeitslosenquoten, Steuereinnahmen der Kommunen, Schulden, Wohngeldkosten. Am Ende steht ein aus 39 Faktoren errechnetes »Sozialranking», das eine schon lange vertretene Auffassung des Leipziger Abgeordneten bestätigt: Seine Stadt sei, so Pellmann, »die sächsische Armutshauptstadt«. Die unersprießliche Aussage kratzt am Selbstbild der »Boomtown«, die in einer Liga mit Metropolen wie Paris und London spielen will. Doch die gefühlte Weltstadt hat, so die Studie, weit größere soziale Probleme als das vermeintliche »hässliche Entlein« Chemnitz, ganz zu schweigen von der Landeshauptstadt Dresden. So lag die Arbeitslosenquote in Leipzig 2005 bei 23 Prozent, in Chemnitz bei 19,4, in Dresden gar »nur« bei 16,4 Prozent. Historisch ist die Differenzierung laut Pellmann nicht zu begründen. Alle drei ehemaligen Bezirksstädte hätten 1990 gleiche Ausgangsbedingungen gehabt, sagt der Linksabgeordnete: »Es gab einen gesunden Branchenmix.« Seither sei in Dresden viel in den produzierenden Bereich investiert worden, etwa große Mikroelektronikfirmen. Chemnitz habe industrielle Kerne in Textilindustrie und Maschinenbau zu erhalten. In Leipzig dagegen sei Geld vorwiegend in die Infrastruktur geflossen. Das Defizit an Arbeitsplätzen sei nicht mehr aufzuholen, so Pellmann: »Wir bräuchten 25 BMW-Ansiedlungen, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen.« Die Lasten, unter denen die Stadt wegen des hohen Anteils von Arbeitslosen und Geringverdienern zu tragen hat, sind hoch. Während in Dresden knapp 61 000 Menschen Arbeitslosengeld II beziehen, sind es im gleich großen Leipzig mehr als 86 000. Für Kosten der Unterkunft gibt Leipzig 146 Millionen Euro aus, Dresden nur 43 Millionen. Auch in anderen Bereichen sind die Ausgaben in Leipzig höher, weshalb Pellmann einen »Soziallastenausgleich« verlangt. Ändern wird sich an der Rangfolge der Städte auf absehbare Zeit nichts, so Pellmann. Wenn Bund und Land nicht gegensteuerten, dürften sich die Unterschiede sogar vertiefen. Er warnt besonders vor Altersarmut, die »derzeit in Sachsen noch kein Massenphänomen ist«. Das, prophezeit der Linkspolitiker, dürfte sich bald ändern.