... und Ségolènes Fans waren begeistert

Die Präsidentschaftskandidatin der französischen Sozialisten auf Kurzbesuch in Berlin

Sie kam später als zugesagt und ging schneller als erhofft, aber immerhin war sie da: Marie-Ségolène Royal gab der deutschen Hauptstadt am Dienstagabend in einem Berliner Hotel die Ehre eines Kurzauftritts. Die Fans waren begeistert.

Wer später als 20 Minuten vor dem eigentlichen Beginn noch einen Sitzplatz im Konferenzsaal des hauptstädtischen Hotels Berlin haben wollte, hatte Pech. Die gut 200 Plätze waren besetzt, und auch hinter den Stuhlreihen drängten sich vielleicht noch einmal so viele Leute. Und selbst davor saßen sie dicht gedrängt bis fast zum Podium, geduldig und erwartungsfroh auf den Star des Abends wartend. Angekündigt als öffentliche Veranstaltung, auf französisch gar als Konferenz, geriet der erste öffentliche Auftritt der Kandidatin der Sozialistischen Partei für die französischen Präsidentschaftswahlen, Ségolène Royal, hierzulande so zum Happening wie mit einem Popstar. Schon der Einmarsch unter hämmernden Ethnopop-Rhythmen erinnerte mehr an das gladiatoreske Erscheinen von Profiboxern am Ring oder die schrille Show einer Pop-Ikone als die profane Ankündigung für einen Politikerauftritt. Wenn es dafür eine Regie gab, so blieb sie zumindest unaufdringlich und kam ohne bestellte Claqueure aus. Das verwunderte auch kaum, denn die Majorität im Publikum war deutlich unter 30, weiblich und parlierte französisch - Studentinnen, Austauschschülerinnen und andere junge Leute aus dem Nachbarland, die gekommen waren, um ihr offensichtliches Idol zu hören und zu feiern. Die Erwartungen sind offenbar groß - ebenso wie die Hoffnung, dass die Grande Nation zum ersten Mal eine Präsidentin bekommen könnte. Was die 53-jährige Abgeordnete der französischen Nationalversammlung, geboren übrigens in der senegalesischen Hauptstadt Dakar, sagte, wird den Anwesenden nicht ganz unbekannt gewesen sein, es kam in jedem Falle gut an. Immer wieder begeisterter Zwischenapplaus: »Ségolène, Ségolène!« Locker, charmant, in freier Rede und gänzlich unprätentiös trug die Kandidatin ihr Programm vor: den »präsidentiellen Pakt - 100 Vorschläge für Frankreich«, gegliedert in neun Komplexe mit einer meist sehr klaren Botschaft. Das sieht zum Beispiel so aus: Komplex 3, »Die Präsidentin der garantierten Kaufkraft«. Royal gibt eine kurze Zustandsbeschreibung und kommt dann schnell auf den Punkt. »Deshalb schlage ich vor: eine Anhebung des Mindestlohns (von derzeit 980 netto) auf 1500 brutto, eine nationale Konferenz über Löhne und Einkommen,den Bau von 125 000 Sozialwohnungen jährlich,eine Mietobergrenze von 25 Prozent des Einkommens bei sozial schwachen Familien«. Oder in Komplex 9, »Die Präsidentin eines Frankreich - stark in Europa und aktiv für den Weltfrieden«. »Deshalb schlage ich vor: ein Protokoll für den Erhalt der hohen Lebensniveaus und der sozialen Standards in Europa, eine europäische Initiative für den Nahen Osten,eine Zusammenarbeit mit den Ländern des Südens, die auch eine begrenzte Einwanderung zulässt«. Royal spricht sich dafür aus, »den einfachen Menschen« mehr Macht zu geben und schlägt dafür »Bürgerjuries« vor, was eine Renaissance einer Einrichtung aus der Zeit der französischen Revolution bedeuten würde. Jedes Volksbegehren, das mehr als eine Million Unterschriften für sich erreicht, soll wie ein Gesetzentwurf in der Nationalversammlung behandelt werden. »Schluss mit der Ämterhäufung bei den Parlamentariern!« ruft sie in den Saal und findet wiederum Beifall. Und sie verlangt, was für das zentralstaatliche Frankreich wie eine kleine Revolution wäre: Mehr Mitbestimmungsrechte für die Regionen. Die Kandidatin hatte damit am Dienstagabend in Berlin ein Heimspiel. Aber der Sieg beim Publikum fiel auch deshalb wesentlich leichter als bei manchem Wahlkampfauftritt zu Hause, weil die Gegenpartei offensichtlich nicht anwesend war, somit nicht mit detaillierten Nachfragen nervte und die siegesgewisse Gattin ihres Parteivorsitzenden François Hollande schon so manches Mal un...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.