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»Unglaubliches !ndien« mit Kanten

ITB-Partnerland präsentiert sich glanzvoll in Halle 5.2b - was nicht glänzt, bleibt zuhause

  • Hilmar Koenig, Delhi
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Der berühmte Kronenpalast Taj Mahal in Agra steht Kopf. Wir sind im Büro von Amitabh Kant, Verbindungssekretär im indischen Ministerium für Tourismus. Auf dem Bildschirm seines Fernsehers wird in prächtigen Aufnahmen für die 33 000 offiziell registrierten Sehenswürdigkeiten des Landes geworben. Darunter der Kronenpalast, der deshalb Kopf steht, weil das Foto sein Spiegelbild im Wasser zeigt.
Das gesamte Werbepaket läuft auch auf der diesjährigen ITB, auf der sich Indien in der Halle 5.2b glanzvoll als Partnerland präsentiert, unter dem Slogan »Unglaubliches !ndien« - was kein Druckfehler ist, sondern ein Superlativ sein soll.
Zwischen 2003 und 2005 schwoll der Besucherstrom aus dem Ausland um 45,5 Prozent, aus Deutschland gar um 69 Prozent an. Amitabh Kant nennt die Zahlen vom Vorjahr: 4,6 Millionen Auslandstouristen, dazu 2,9 Millionen »NRI« (im Ausland residierende Inder) sowie 390 Millionen einheimische Touristen. Die Tourismusindustrie erwirtschaftete 6,8 Milliarden Dollar Devisen.

Buddha, Goa und Yoga
»Unglaubliches !ndien« - das ist ein reiches kulturelles Erbe, zu bestaunen beispielsweise im »Goldenen Dreieck« Delhi-Agra-Jaipur, in den Höhlen von Ajanta und Ellora, auf den Spuren Buddhas in Bihar, in Tempeln, Klöstern, Moscheen und Kirchen, in Museen, Festungen, Schlössern und Maharadschapalästen. Dieser Slogan will auch den Ursprung der Religionen und Lebensarten des Hinduismus, Buddhismus, Jainismus und Sikhismus umspannen und den Blick auf die Heimat des nach eigenem Bekunden religiösesten Volkes der Erde lenken. Auf die heiligen Flüsse und verschneiten Gipfel, die Strände von Goa und Kerala, eine exotische Flora und eine vielfältige Fauna mit Tigern und Elefanten.
Mehr als eine Milliarde Menschen unterschiedlicher Hautfarbe leben in dem diesjährigen ITB-Partnerland, die dutzende Sprachen sprechen, sich ihrer Region entsprechend kleiden und essen und ihrer Kaste entsprechend benehmen: anmutige Tänzerinnen, aber auch schwer schuftende Land- oder Straßenbauarbeiterinnen, Softwareingenieure und Bauern, Kleinhändler und Proletarier und viele Kinder. Zu der geistigen Welt dieser Menschen gehören Mythen und Volksepen, Kamasutra, Meditation und Spiritualität, Yoga und Ayurveda.
Das alles und noch mehr wird Indien auf der ITB anpreisen; es kommen zu diesem Zweck Aussteller, Tänzer, Köche, Wellness- und Gesundheitsexperten. »Für uns bietet die ITB jetzt genau den richtigen Zeitpunkt, auf den Weltmarkt zu stoßen. Wir wollen Indien in authentischer Form anbieten, so wie es ist, nicht künstlich aufgepeppt«, sagt uns Tourismussekretär Kant. Während man in der Vergangenheit auf das »obere Segment« setzte, wende man sich jetzt an alle Touristen. Bed & breakfast komme ebenso in Mode wie die Erschließung ländlicher Gebiete für den Tourismus.

Ausländer zahlen mehr
Aber auch das ist »Unglaubliches !ndien«. Der Besucher wird ihm unweigerlich begegnen, selbst wenn er nur auf ausgetretenen Touristenpfaden wandelt. Es beginnt bei der Ankunft auf dem Indira Gandhi International Airport von Delhi, wo er sich in eine Schlange von hunderten Wartenden einzureihen hat, ehe er den Einreisestempel erhält. Die Situation auf den Flughäfen reflektiert eins der ernsten, die Tourismusbranche behindernden Probleme: Es besteht enormer Nachholebedarf bei der Entwicklung der Infrastruktur. Das bekommt der Tourist auch auf den Straßen zu spüren, abgesehen von dem ohnehin unglaublich chaotischen Verkehr. Schnell begreift der Gast auch, dass Bürgersinn, vor allem bezüglich Sauberkeit und Hygiene, in der Öffentlichkeit nicht gerade ausgeprägt ist.
Der im Februar in Anwesenheit von Tourismusministerin Ambika Soni publizierte Bericht »Total Tourism India«, den die Pacific Area Travel Association (PATA) und VISA-Card gemeinsam erstellten, zählt als Schwachstellen auch Mangel an adäquatem Hotelraum, zu viel Bürokratie sowie die Notwendigkeit auf, im Reise-, Hotel- und Gaststättengewerbe mehr Fachpersonal auszubilden. Terroristische Anschläge, die in verschiedenen Gegenden Indiens hin und wieder verübt werden, schrecken laut diesem Bericht ausländische Besucher jedoch kaum ab.
Ziemlich perplex muss der ausländische Gast auch zur Kenntnis nehmen, dass in Indien noch immer ein Doppelpreissystem besteht. So hat er beispielsweise bedeutend höhere Eintrittspreise zu zahlen - im Fall des Taj Mahal 70 Mal mehr als Einheimische. Für Flugtickets, Übernachtungen in Hotels oder medizinische Behandlung zahlt der Nichtinder kräftig drauf. Premier Manmohan Singh kündigte vor Jahresfrist an, sich mit dieser Ungerechtigkeit eingehend zu befassen.
Dennoch, die Gastfreundschaft der Inder ist sprichwörtlich. ...

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