• Politik
  • Heute beginnt in Berlin die 41. Internationale Tourismusbörse

Branchen-Riesen bleiben zu Hause

Onlineanbieter mausern sich / Verbandspräsident Laepple will Katalog-Festpreise weg haben

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 2 Min.
Bis Sonntag werden sich die Messehallen unterm Berliner Funkturm wieder als der größte »Reisekatalog der Welt« präsentieren. Auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) buhlen rund 11 000 Aussteller auf 160 000 Quadratmetern um die Gunst der Privat- wie der Fachbesucher.
Die Reisebranche gibt sich angesichts der kommenden Saison optimistisch, auch wenn bislang die Buchungen noch zu wünschen übrig lassen. Spätestens nach der ITB werde der große Boom einsetzen, sind sich ausgewiesene wie selbst ernannte Experten sicher. Die Großen der deutschen Reisewirtschaft allerdings sind nicht dabei. Erstmals hat auch die TUI als Branchenprimus ihre Teilnahme abgesagt; gezielte Indiskretionen reden von Kostengründen. Auch Thomas Cook und die Rewe-Gruppe mit Dertour, Meier's Weltreisen und ITS wird man in den Messehallen vergeblich suchen. In Halle 25, wo bislang die TUI das Sagen hatte, stellen sich nun verstärkt Online-Anbieter vor. Diese Zunft gilt als besonders zukunftsträchtig. Wie Dr. Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin, sagte, habe sich das Nachfrageverhalten in den vergangenen Jahren hin zu den virtuellen Medien verändert. Die Tourismuswirtschaft gehe davon aus, dass bereits 2008 rund 40 Prozent aller Reisebuchungen über das Internet erfolgen werden, sagte er. Das hält Dr. Harald Schmidt, Chef des privaten Leipziger Instituts für empirische Forschung für absolut übertrieben. Seine repräsentativen Umfragen haben ergeben, dass maximal 15 bis 20 Prozent das Internet in den nächsten Jahren für die erste Wahl halten, bei Urlaubsreisen sogar nur rund zehn Prozent. Laut einer Untersuchung des Fachmagazins FVW International bei 67 Unternehmen erhoffen sich die deutschen Reiseunternehmen im Schnitt insgesamt ein Umsatzplus von 4,6 Prozent für das laufende Geschäftsjahr. Wie Klaus Laepple, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), vor Journalisten sagte, haben die Deutschen 2006 rund 60,5 Milliarden Euro für Reisen ausgegeben. Die klassische Pauschalreise gebe es heute so gut wie gar nicht mehr, so Laepple, »sie ist individueller geworden, die Menschen wollen flexibler sein«. Darauf hätten sich die Reiseveranstalter eingestellt, nicht so allerdings laut Laepple die Politik. Während Fluggesellschaften oder Hotels ihre Preise der Nachfrage auf dem Markt anpassen könnten, müssten Kataloge immer noch gesetztliche Festpreise bis zu einem neuen Katalog beibehalten. Das hält der BTW-Chef für nicht mehr zeitgemäß und bedürfe einer gesetzlichen Veränderung »für mehr fairen Wettbewerb«. Klaus Laepple kritisierte die Politik im Vorfeld der ITB noch aus einer anderen Richtung: Er hält auch die Pläne der EU-Kommission, vorerst nur EU-Fluggesellschaften in den Emissionshandel für den Kohlendioxidausstoß einbeziehen, für wettbewerbsverzerrend. Die geplanten Umweltabgaben müssten für alle Fluggesellschaften gelten, »nicht nur für die der EU«, forderte er. Schließlich ist laut Laepple die von der Bundesregierung geplante PKW-Maut für die Innenstädte kontraproduktiv für den Binnentourismus. Es bleibt abzuwarten, ob sich die angekündigte ITB-Konferenz zum Klimaschutz der wachsenden Umweltbelastung durch den Tourismus ähnlich konservativ nähert.
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