nd-aktuell.de / 01.09.2017 / Wissen / Seite 20

Fans halten der Soljanka die Treue

Ostdeutsches Essen behauptet sich auf den Speisekarten

Potsdam. Einfach, deftig, viel Fleisch, Fett und Zucker: Ostdeutsche Küche hat nicht immer den besten Ruf. »Stimmt nicht«, sagt der Koch und Buchautor Herbert Frauenberger. Wer damit groß geworden sei, dem gehe der Geschmack der Kindheit nicht mehr aus dem Kopf. »Und vieles kann sich trotz aller Unkenrufe heute gut in der Gastronomie behaupten«, sagt er.

In seinem Buch geht der langjährige Koch, der das Gasthaus Weißer Schwan in Weimar führte oder mit dem Schiff MS Arkona zu DDR-Zeiten unterwegs war, mit 44 Rezepten einem Stück ostdeutscher Gastro-Geschichte nach. Er kocht Letscho, eine Art Paprikagemüse, Falschen Hasen aus Hackfleisch oder Ragout fin, ein feines Würzfleisch.

»Es gibt viele Vorurteile«, meint der fast 65-Jährige, der als Privatkoch arbeitet und in Thüringen in Ebenheim bei Eisenach eine Kochschule leitet. »Die meisten stimmen nicht.« Und: von wegen eintönig. »Die Gerichte waren einfach und ehrlich, nicht verspielt und ohne viel Chichi«, bringt er seine Sicht auf den Punkt. »Von dem, was auf den Teller kam, wurde man richtig satt.«

Doch das ist heute oftmals vielleicht das Problem, weshalb manche die Lippen kräuseln: angesichts von Kalorienwerten, Fett- und Zuckerverbrauch. »Früher wurde körperlich gearbeitet, da machten die Speisen Sinn«, sagt Frauenberger. Zu DDR-Zeiten verbrauchte er in seiner Restaurantküche zehn Kilogramm Schweineschmalz die Woche. »Ich wüsste heute gar nicht, was ich damit anfangen sollte«, sagt er zu veränderten Gewohnheiten. Seine Rezepte hat er heute angepasst.

Zwischen Ostsee und Thüringer Wald haben viele Gerichte auf den Speisekarten ihren Platz behauptet, wie im »Alten Dragoner« in Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern). Im »Ranking« liege die »Soljanka mit saurer Sahne und Zitronenscheibe« vor der »Kraftbrühe mit bunter Einlage«. Etwas ändern wolle man nicht. »Warum, dafür läuft es zu gut«, sagt Mitarbeiterin Jasmin Heiduck.

Auch der Dresdener Sternekoch Stefan Hermann hat in seinem Biergarten auf dem Weißen Hirsch der Soljanka Platz auf der Karte reserviert. Als Dessert kann zudem ein Stück des kalorienreichen Gebäcks Kalter Hund probiert werden. Seit 45 Jahren, gerade erst renoviert und kaum am Stil geändert, präsentiert sich die Broiler-Bar im Hotel Neptun in Rostock-Warnemüde. Dort drehen sich die Hühner an Spießen, eingerieben mit einer Gewürzmixtur nach altem DDR-Geheimrezept. Die Gäste mögen es. dpa/nd