nd-aktuell.de / 02.09.2017 / Politik / Seite 21

Helfer in Not

Jährlich sterben über Hundert Mitarbeiter von Hilfsorganisationen im zivilen Einsatz.

Martin Ling

Auf ziviler Seite sind sie immer willkommen: die humanitären Helfer. Wenn es darum geht, der darbenden Bevölkerung in Kriegen beizuspringen wie in Südsudan, Jemen oder Syrien, oder wenn es darum geht, Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Überall versuchen sie die Menschen mit dem Nötigsten zum Überleben zu versorgen, seien es Lebensmittel oder medizinische Notversorgung.

Auf militärischer Seite sind sie immer weniger willkommen. Zwar halten sich die allermeisten Nichtregierungsorganisationen an das Prinzip der strikten Neutralität und legen Wert auf die klare Trennung der humanitären Hilfe von jeglichem Militär, doch die bewaffneten Gruppierungen ihrerseits nehmen es damit immer weniger genau. Dabei garantiert das humanitäre Völkerrecht den Schutz von Helfern selbst im Krieg.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In den ersten Jahren des Jahrtausends nahmen alle Formen von Gewalt gegen Helfer deutlich zu und seit ein paar Jahren verharren sie auf hohem Niveau. Das legen die jährlich erscheinenden Aid Worker Security Reports nahe, die von der Beratungsgesellschaft Humanitarian Outcomes erstellt werden. Der aktuelle Bericht wirft ein Schlaglicht auf die Zahlen von 2016: Demnach wurden 288 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen entweder umgebracht, gekidnappt oder ernsthaft verletzt; 2015 waren es 287. Unerreicht bleibt das Jahr 2013, in dem vor allem der Krieg in Syrien und der Bürgerkrieg in Südsudan für traurige Höchststände sorgten: Damals wurden 460 Helfer zu Opfern von Gewalt, 155 starben - 2016 waren es 101.

Abgesehen von der Spitze 2013 ist die Zahl der humanitären Helfer, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen mussten, im vergangenen Jahrzehnt ziemlich konstant geblieben.

Die meisten Übergriffe auf Helfer erfolgten 2016 im Bürgerkriegsland Südsudan, dem jüngsten Staat Afrikas, darauf folgten Afghanistan, Syrien, die Demokratische Republik Kongo, Somalia und Jemen. Die Angreifer sind teils bewaffnete staatliche Akteure, teils bewaffnete Paramilitärs.

Zwar hängt die zunehmende Gewalt gegen Helfer auch mit ihrer wachsenden Zahl zusammen, denn seit dem Jahr 2000 hat sich diese mehr als verdreifacht und Hilfsorganisationen arbeiten heute auch in einst unerreichbaren Gegenden. Dennoch ist offensichtlich: Die humanitären Helfer geraten weit öfter ins Fadenkreuz, seit militärische Interventionen westlicher Staaten ausdrücklich zu humanitären Missionen erklärt wurden - angefangen von Irak 1991 über Somalia 1992 bis hin zu Mali 2013. Diese Vermischung von militärischen Zielen mit humanitärer Hilfe, wie sie auch der einstige deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) propagierte, hat zu einer größeren Gefährdung der humanitären Helfer geführt. Nur eine Rückkehr zur strikten Neutralität kann den Helfern mehr Sicherheit verleihen. In der Politik ist diese Botschaft freilich noch nicht angekommen. Martin Ling