Gesucht: Ein Platz zum Spielen

Kindern geht der Freiraum in den Städten verloren

  • Kathrin Zeilmann, Bamberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Draußen sein, herumtoben, mit Alltagsgegenständen wunderbare Fantasiewelten schaffen - für Kinder müssen es oft nicht kistenweise Spielsachen sein, um sie glücklich zu machen. Aber wenn Städte immer rascher wachsen - und wenn auch auf dem Land immer mehr Autos durch die Orte fahren: Wo bleibt da der Platz zum Spielen abseits von Kinderzimmer und Kita?

»Im Wohnumfeld und im öffentlichen Raum werden Kinder ausgegrenzt und auf Reservate wie Spielplätze verwiesen. Es ist aber wichtig, dass Kinder frei spielen können«, sagt der Wissenschaftler Peter Höfflin, der an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg unter anderem zu Spielräumen von Kindern forscht. »Freies Spiel meint, unbeaufsichtigt draußen mit Gleichaltrigen zu spielen. Die Entwicklung des Kindes geschieht durch Spielen.«

Aber: Auf Bäume klettern, Fußball spielen, sich verstecken - was Generationen von Kindern draußen gemacht haben, scheint heute kaum mehr möglich. In den Städten ist der Wohnraum knapp, es wird immer mehr gebaut und in bereits bestehenden Wohngebieten nachverdichtet, also Freiflächen überbaut.

Die Bayerische Bauordnung schreibt allerdings vor, dass beim Bau von Mehrfamilienhäusern ab drei Wohneinheiten auch ein Spielplatz mit geplant werden muss. Und auch die Kommunen unterhalten zahlreiche Spielplätze: Allein in München zählt das Baureferat mehr als 750 Spiel- und Sportflächen. Darunter sind auch 150 Bolzplätze, 40 Skate-Anlagen und 150 Streetballplätze.

In Nürnberg ist die Kommune verantwortlich für 220 Spielplätze mit mehr als 2000 dort installierten Spielgeräten. Pro Jahr fallen hier Unterhaltskosten von rund 600 000 Euro an. Das Angebot habe in den vergangenen Jahren zugenommen, die Stadt habe etliche große Spielplätze saniert oder komplett neu gebaut, betont eine Sprecherin des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (SÖR).

Auch in Bamberg habe die Stadt das Angebot an Spielplätzen verbessert, sagt eine Rathaussprecherin. Profitiert hat die schnell wachsende und vor allem bei jungen Familien beliebte Stadt dabei von der Landesgartenschau 2012, auf dem Gelände ist zum Beispiel ein großer Wasserspielplatz entstanden, der inzwischen frei zugänglich ist.

Doch Spielplätze mit Sandkasten, Rutsche, Schaukel und Wippe sind nach Expertenansicht kein Ersatz für das Toben auf einer Freifläche. »Dazu wird viel mit künstlichen Welten gearbeitet statt in der Natur: Es gibt Kletterwände statt Bäume. Aber das ist kein richtiger Ersatz. Auch viele Spielplätze sind monoton, gerade für Kinder im Grundschulalter«, sagt Höfflin.

»Wenn es in Städten Konkurrenz um die Flächen gibt, ziehen Kinder natürlich oft den Kürzeren. Man muss die Kommunen in die Verantwortung nehmen«, betont der Soziologie-Professor. Dabei habe ein kindgerechtes Wohnumfeld auch positive Effekte für Erwachsene und Senioren. »Man kann sehr viel machen, um Stadtquartiere kindgerecht zu entwickeln. Ich meine damit keine Bullerbü-Idylle, sondern die Schaffung einer kindgerechten Stadt.«

Ein weiterer Hemmschuh ist die elterliche Angst. »Das Beschützen von Kindern hat zugenommen, dazu gibt es auch Studien. Man lässt immer weniger Risiken zu. Aber man darf Kinder nicht in Watte packen. Natürlich können sie nicht an einer viel befahrenen Straße spielen, das ist klar«, sagt Höfflin. Aber ein Kind müsse Risikokompetenz erst erlernen: »Kinder brauchen das Risiko, sie müssen klettern können, sie müssen sich auch mal das Knie aufschlagen. Fallen lernt man nur durch Fallen.«

Der Pädagoge Ulf Sauerbrey von der Uni Bamberg setzt darauf, dass sich der Spieltrieb bei den Kindern immer wieder durchsetzt - auch in der Großstadt: Man brauche deshalb kein Schreckensbild zeichnen. »Ich sehe da allerdings eher ein Problem in den virtuellen Welten, in die sich das kindliche Spielverhalten möglicherweise zunehmend hineinverlagert.« Diese Entwicklung sei überhaupt noch nicht einzuschätzen.

Dass Kinder und ihr Spiel auch künftig einen Platz in der Gesellschaft haben, davon ist Sauerbrey überzeugt: »Historisch betrachtet haben wir in modernen Gesellschaften noch nie so stark auf die Bedürfnisse von Kindern geachtet.« Deshalb sei er zuversichtlich, dass Spielräume für Kinder »trotz des Wachstums einiger Städte erhalten bleiben oder sogar weiter ausgebaut werden«. Sauerbrey betont: »Das Aufwachsen von jungen Menschen hat sich in der Menschheitsgeschichte seit jeher verändert und damit haben sich auch Spielräume und im Spiel verwendete Dinge immer wieder gewandelt.« dpa/nd

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