CSU auf Russisch

Jürgen Amendt über Wahlkampf in den sozialen Netzwerken

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Derzeit hängen sie wieder - die Plakate der Parteien. Auf ihnen sind Sprüche zu lesen wie »Zukunft statt Herkunft«, »Digital first. Bedenken second« oder »Löhne rauf, Mieten runter«. Der Betrachter muss angesichts dieser Floskeln den Eindruck gewinnen, dass die Parteien in den analogen Wahlkampf nicht gerade viel Phantasie und Kreativität investieren. Ganz anders sieht es in den sozialen Netzwerken aus. Hier werden politische Botschaften gezielt auf kleinteilige Gruppen bis hin zu einzelnen Personen zugeschnitten. Der Fachbegriff dafür lautet Micro- bzw. Online-Targeting. Nach Recherchen der Onlineplattform netzpolitik.org nutzen im derzeitigen Bundestagswahlkampf alle etablierten deutschen Parteien diese Methode. Die Grünen, so netzpolitik-Autor Ingo Dachwitz, wenden mit gut zwei Millionen Euro gar ein Drittel ihres Wahlkampfbudgets für Online-Werbung auf. Während allerdings die Grünen und die Linkspartei ihre Vorgehensweise im Online-Wahlkampf transparent machen würden, wollten, so netzpolitik.org, die anderen Parteien über dieses Thema eher nicht reden.

Das hat seinen Grund, denn bei dieser Form der Wahlwerbung geht es nicht nur um die gezielte Mobilisierung eigener Wähler, sondern auch um die Verunsicherung von Anhängern des politischen Gegners. Das Team von Donald Trump soll auf dieses Mittel im US-Präsidentschaftswahlkampf zurückgegriffen haben, indem man Falschinformationen über Hillary Clinton verbreitet hat.

Wie Online-Targeting bei Facebook in Deutschland funktioniert, illustriert Dachwitz an folgendem Beispiel: Im Frühjahr konnten Deutschrussen in dem sozialen Netzwerk folgendes auf russisch lesen: »Wir wollen keine Republik, in der linke Kräfte und der Multikulturalismus die Vorherrschaft haben.« Doch es war nicht die AfD, die damit um die Wählerstimmen der Deutschrussen buhlte, sondern die CSU.

Die Linkspartei, schreibt Dachwitz weiter, setze dagegen »nur in Maßen« auf Online-Targeting, Die Partei habe beispielsweise nach der Landtagswahl in Sachsen damit begonnen, potenzielle AfD-Wähler mit Facebook-Anzeigen zu kontaktieren, die über das Abstimmungsverhalten der Partei im Landtag informieren. »Es gibt krasse Unterschiede zwischen dem, was die AfD im Wahlkampf versprochen hat, und dem, wie sie im Parlament dann tatsächlich abstimmt. Das sollten die Menschen wissen«, erklärte Mark Seibert von der Berliner Agentur DIG, die die Linkspartei im Wahlkampf berät, die Motivation.

Wie erfolgreich solche Strategien sind, muss man indes noch abwarten. Wolfie Christl wies bereits im Dezember vergangenen Jahres auf faz.net darauf hin, dass Menschen mit fundierten politischen Überzeugungen durch Online-Targeting »nicht einfach so ›umgedreht‹ werden können«. Es gebe allerdings »starke Indizien dafür, dass mit datenbasiertem Microtargeting die Wahlbeteiligung bei bestimmten Gruppen von Menschen systematisch erhöht oder reduziert werden kann. Dass damit also bei bestimmten Wählergruppen etwas mehr Motivation erzeugt wird und bei anderen etwas mehr Frustration. Und genau darum geht es heute oft bei Wahlen«.

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