nd-aktuell.de / 08.09.2017 / Kommentare / Seite 4

Mit Schlagring, Hitlergruß und Fanschal

Laut Robert Claus tummeln sich unter Hooligans nicht nur Neonazis, sondern auch Kampfsportler. Eine explosive Mischung.

Robert Claus

»Hoo Na Ra« schallt es lautstark durch die Halle, immer wieder in einzelnen Silben, während sich die Kämpfer gegenseitig beharken. Die Abkürzung steht für »Hooligans Nazis Rassisten«, ein in den 2000er Jahren gegründetes Netzwerk aus Chemnitzer und Zwickauer Hooligans, eng mit der westsächsischen Kameradschaftsszene vernetzt. Doch gehen sie nicht nur zum Fußball, vielmehr entwickelten sich die lokalen Fight-Nights im vergangenen Jahrzehnt in Chemnitz und Plauen zu zentralen Treffpunkten der Szene. Mehr als hundert Hooligans besuchen die Events und skandieren ihren Code. Im Publikum auch Nazis, die Jahre später im Rahmen der Ermittlungen zum NSU in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Regelmäßig kommt das Milieu zusammen.

So hat sich der organisierte Kampfsport in den Nullerjahren zum zweiten Standbein der rechten Hooliganszene entwickelt - neben dem Fußball. Auch Dresdner Hools - welche beim Länderspiel in Prag gemeinsam mit Chemnitzer und Zwickauer Hooligans durch Nazisprüche auffielen - sind tief im Kampfsport verwurzelt und seit vielen Jahren mit Rechtsextremen vermengt. Auch deshalb gerieten zwei Gruppen seit 2011 in den Fokus der Strafverfolgung: Sowohl gegen die »Faust des Ostens« als auch gegen die »Hooligans Elbflorenz« wurden Verfahren eröffnet, das zweite führte zu einem Präzedenzfall im Januar 2015. Erstmals wurden Hooligans wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung belangt. Das Gericht ordnete die »Ackermatches« - geheime Gruppenkämpfe in abgelegenen Wäldern - als gemeinschaftliche geplante Körperverletzung ein. Auch die »Hooligans Elbflorenz« boten zweimal wöchentlich ein offenes Kampfsporttraining an: Schnupperkurse für Interessierte.

Die Hooliganszene professionalisierte ihre Gewalt meist fernab der großen Öffentlichkeit. So manche Fight-Night in Ostdeutschland wurde von rechten Hooligans veranstaltet, nicht selten standen Neonazis und Rocker am und manchmal auch im Ring. Das Imperium Fight Team aus Leipzig ist einer der Vorreiter und organisiert Events. Doch beschränkt es sich nicht auf Kämpfe im Käfig, die ausgebildete Gewalt fand ihren Weg allzu oft auf die Straße. Bei den Randalen von über 200 rechten Hooligans im Januar 2016 durch die Leipziger Innenstadt waren auch Kämpfer des genannten Gyms beteiligt. Der Leipziger Ableger von Pegida feierte seinen einjährigen Geburtstag an dem Abend. Hooliganismus und rechte Gewalt gehen schon lange Hand in Hand.

Natürlich besteht auch die Welt des Kampfsports nicht nur aus rechten Hooligans. Doch sind die Berührungsängste allzu oft erschreckend gering. Kaum eine rechte Kleidungsmarke findet Gegenwehr, ein kleiner Markt hat sich formiert - mit internationalen Verbindungen. Das Dresdner Label »Greifvogel« beispielsweise wirbt auf einer gemeinsamen Homepage mit der russischen Neonazimarke »White Rex«. Dessen Gründer, der Moskauer Hooligan Denis Nikitin, sponsert das rechtsextreme Event »Kampf der Nibelungen«, welches seit fünf Jahren in NRW und Hessen stattfindet, und hat die Verbindung aus Hooligans und Neonazis zu seinem Geschäftsfeld gemacht. Sie treffen dabei auf ein Vakuum, da der deutsche Markt für die international großen Marken noch zu klein ist. Wie immer machen sich Nazis dort breit, wo sie wenig Gegenwehr bekommen.

Der DFB hingegen hat einen Teil seiner dringenden Hausaufgaben gemacht: Waren nicht alle Präsidenten in seiner Geschichte zu klaren Worten gegen Rechts fähig, zog Reinhard Grindel in den vergangenen Tagen klare Kante. Der Verband finanziert soziale Arbeit mit Fußballfans und vergibt Preise für soziales Engagement. Manchmal würde man sich mehr Konsequenz und Effektivität der Maßnahmen wünschen, doch ist eine Entwicklung zu sehen, die manch andere Sportart noch vor sich hat. Und ebenso manches Ministerium: Äußerungen wie die des Bundesinnen- und somit auch Sportministers Thomas de Maizière (CDU), dass die staatlichen Programme gegen Rechtsextremismus ein »Übergewicht« hätten, sind der falsche Weg. Die Szene der rechten Hools hat sich professionalisiert, ist kampfsporterfahren und international vernetzt. Weshalb es stärkere Förderungen braucht, um auch die Arbeit gegen Rechtsextremismus weiter zu professionalisieren. Es ist Zeit für Prävention im Kampfsport, Herr de Maizière.