Finale beim Herrn der Ringe

Die »Cassini«-Mission geht am 15. September mit einem gezielten Sturz der Sonde auf den Saturn zu Ende. Die Daten ändern unser Bild vom Planeten und seinen Monden

  • Dieter B. Herrmann
  • Lesedauer: 6 Min.

Als Galileo Galilei vor über 400 Jahren den Planeten Saturn erstmals ins Visier seines winzigen Fernrohrs nahm, staunte er über zwei »Henkel« links und rechts der Scheibe. Erst Christiaan Huygens fand dank eines besseren Teleskops 45 Jahre später nicht nur den größten Mond des Planeten (Titan), sondern auch, dass diese »Ohren« in Wirklichkeit einen Ring darstellen, der den Planeten umgibt.

Die volle Pracht des Ringsystems erspähte schließlich 1775 Giovanni Domenico Cassini, der zugleich die heute nach ihm benannte Lücke im Ring sowie noch vier weitere Monde entdeckte. Seitdem gilt der Planet als »Herr der Ringe« und als ein besonders schönes und rätselhaftes Objekt des Sonnensystems. Schon mit den Hilfsmitteln der erdgebundenen Astronomie wurden viele Fakten über diesen nach Jupiter zweitgrößten Gasplaneten bekannt (siehe Randspalte). Im besonderen Fokus der Forschung stand verständlicherweise stets das Ringsystem, über das immer mehr Details ans Licht kamen, einschließlich der Entdeckung weiterer Lücken. Schließlich wurde durch theoretische Überlegungen vermutet und dann 1895 auch durch spektroskopische Messungen bestätigt, dass sich die Bewegung der verschiedenen Teile des genau in der Äquatorebene des Planeten liegenden Ringsystems nach den Keplerschen Gesetzen vollzieht. Es konnte sich folglich nicht um einen starren Körper handeln. Die Ringe mussten vielmehr aus einzelnen mehr oder weniger großen Teilchen bestehen, die - einer Unzahl winziger Satelliten gleich - den Planeten umlaufen.

Der Saturn

Äquatordurchmesser (km): 120 536

Masse (Erde = 1): 95

Mittlere Dichte (g/cm³): 0,69

Mittlere Entfernung des Planeten von der Sonne (Abstand Erde-Sonne=1): 9,58

Umlaufzeit um die Sonne (Jahre): 29,46

Eigenrotation (Tage): 0,45

Anzahl der Monde (4 von Cassini entdeckt) 62

Bahnneigung (gegen die Ekliptik in Grad): 2,5

Dicke der Ringe (m): 10 - 100

Durchmesser des Ringsystems (km): knapp 1 Mio.

Eine große Überraschung brachte die Untersuchung des Planeten Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit Hilfe der Raumsonden »Pioneer 11«, »Voyager 1« und »Voyager 2«. Nun zeigte sich nämlich, dass es nicht einige wenige Ringe waren, sondern hunderttausende. Die Fotos erinnerten an die Rillen einer Schallplatte. Die Ringe bestehen aus bis zu metergroßen Eisbrocken mit Beimengungen von Silikaten und organischen Bestandteilen. Doch auch viel winzigere Teilchen wurden gefunden bis in den Bereich von Staubpartikeln. Wie stets, so haben aber die Ergebnisse dieser ersten Missionen auch viele neue Fragen aufgeworfen, die nun mit dem Unternehmen »Cassini-Huygens« (siehe Kasten) geklärt werden sollten. Und das ist überaus erfolgreich gelungen.

Nachdem die Sonde »Cassini« 2004 in die Saturnumlaufbahn eingeschwenkt war, überschlugen sich die Entdeckungsmeldungen förmlich. Nur einige der wichtigsten Ergebnisse können daher hier skizziert werden. Besonders spektakuläre Resultate brachten die Untersuchungen der beiden großen Saturnmonde Titan und Enceladus. Dutzende Vorbeiflüge von »Cassini« an beiden Monden sowie die Daten der »Huygens«-Sonde vom Titan zeigten, dass beide Monde offenbar über globale unterirdische Ozeane verfügen. Geysire aus heißem Wasser, die aus der Oberfläche des Enceladus herausschießen, lassen es zusammen mit dem Vorkommen anderer chemischer Zutaten denkbar erscheinen, dass hier möglicherweise einfachste Lebensformen oder zumindest deren Vorstufen existieren. Die Zusammensetzung der Titan-Atmosphäre ähnelt zudem jener unserer Erde vor Urzeiten. Gewaltige Seen aus flüssigem Methan, wüstenartige Flächen und Vulkane prägen die Oberfläche dieses Mondes.

Was Saturn selbst anlangt, so gelangen gleich beim ersten Flug durch eine der Ringlücken mit dem 12,5 Millionen US-Dollar teuren Ultraviolet Imaging Spektrographen hoch aufgelöste Bilder des Ringsystems, die seine differenzierte Zusammensetzung enthüllten: Während in den inneren Teilen des Systems silikatischer Staub dominiert, wird der Anteil von Wassereis und Ammoniak nach außen immer größer. Diese Erkenntnisse sind für das noch ausstehende Verständnis der Entstehung der Ringe von großer Bedeutung. Das gilt ebenso für die Entdeckung von rund 10 Millionen kleinen Monden in einem der Ringe, den etwa 100 Meter großen »Moonlets«. Die Entdeckung eines neuen Ringes, dessen Bahn mit jener der beiden Monde Janus und Epimetheus übereinstimmt, brachte die Forscher auf die Idee, dass Meteoriteneinschläge auf diesen Monden den bislang unbekannten Ring entstehen ließen.

Überhaupt sind die Wechselwirkungen zwischen den Monden und den Ringen sehr ausgeprägt. Dass mindestens acht der kleineren Saturntrabanten als »Hirten«-Monde fungieren, ist schon länger bekannt. Sie sorgen durch ihre Gravitationswirkung auf die Ringteilchen für die Lücken im System. Doch die Interaktionen reichen noch weiter: »Cassinis« Messungen lassen vermuten, dass kleine Monde möglicherweise durch ihre »Atomisierung« Material in die Ringe »einspeisen«, wo sich aber durch Verklumpungen auch immer wieder neue Monde bilden. Die von Wasserstoff dominierte Atmosphäre des Saturn brachte ebenfalls einige Überraschungen: Elektrische Entladungen, 1000 Mal stärker als bei irdischen Gewittern, wurden ebenso beobachtet wie gewaltige Stürme und ein ortsfester Hurrikan mit 8000 Kilometern Durchmesser über dem Südpol. Seit Ende April 2017 bewegt sich die Sonde nun auf einer langgestreckten elliptischen Bahn insgesamt 22 Mal durch die Lücke zwischen Saturn und dem Ringsystem. Das wird nochmals weitere Daten über die Ringe und die Saturn-Atmosphäre bringen, ehe »Cassini« dann in den äußeren Schichten der Gashülle des Saturn verglüht.

Die »Cassini-Huygens«-Mission

Die »Cassini-Huygens«-Mission ist eines der komplexesten und teuersten jemals realisierten Projekte der Raumfahrt zur Erkundung des Planeten Saturn und seiner Monde. Das amerikanisch-europäische Gemeinschaftsunternehmen begann mit dem Start der knapp zweieinhalb Tonnen schweren Doppelsonde »Cassini-Huygens« am 15. Oktober 1997. Die »Cassini«-Sonde sollte der Erforschung des Ringplaneten und seiner Monde aus dem Orbit dienen, während für die angekoppelte »Huygens«-Sonde eine Landung auf dem Saturn-Mond Titan vorgesehen war, um diesen von einer dichten Atmosphäre umhüllten größten Trabanten vor Ort zu untersuchen. Die jahrelange Reise führte zunächst in das innere Sonnensystem mit zwei Vorbeiflügen an der Venus, dann zurück Richtung Erde und Mars. Aber nicht, um diese Objekte zu erforschen, sondern um Schwung aufzunehmen für den Flug bis in die Zielregion. Beim Vorbeiflug am Jupiter, dem größten Planeten des Sonnensystems, gelangen faszinierende Bilder, deren wissenschaftlicher Ertrag weit über den der früheren »Voyager«-Sonden hinausging. Schließlich begann »Cassini« Ende Juni 2004 mit ihrem eigentlichen Auftrag. Nach der Abtrennung der »Huygens«-Sonde (Dezember 2004) landete diese wie geplant im Januar 2005 auf Titan und sendete während ihres Fluges durch die Atmosphäre und nach ihrer Landung insgesamt 72 Minuten lang wichtige Daten. Doch die mit Abstand meisten neuen Erkenntnisse über den Ringplaneten und seine Monde lieferte die »Cassini«-Sonde selbst, die - nach mehrmaliger Verlängerung der Mission - fast 13 Jahre lang aktiv war.

Die außergewöhnlich lange Dauer der Mission bot die Möglichkeit, gewonnene Messdaten und daraus abgeleitete Vermutungen immer wieder zu überprüfen, Messprogramme zu variieren und dadurch eine größere Aussagekraft zu erreichen. Dank der Manövrierfähigkeit von Cassini konnte die Bahn der Sonde während ihrer Umläufe auch mehrfach verändert werden, so dass gezielte Vorüberflüge an etlichen Monden des Planeten möglich wurden. Die Ausstattung von Cassini mit zwölf sorgsam ausgetüftelten Messinstrumenten ließ kaum Wünsche offen: Oberflächenbilder oder Geländeprofile mittels Radarechos waren ebenso möglich wie magnetische Messungen, Bilder im sichtbaren Bereich, aber auch im nahen Infrarot, Ultraviolett und vieles mehr. Als sich die Treibstoffvorräte von Cassini allmählich ihrem Ende zuneigten, entschlossen sich die Projektleiter dazu, die Sonde gezielt in der Gasatmosphäre des Saturn verglühen zu lassen, um einem unkontrollierten Absturz auf einen der Saturnmonde und dessen Kontamination mit irdischem biologischen Material vorzubeugen.

So wird die erfolgreiche Mission am 15. September 2017 mit einem spektakulären Crash enden, der schon im Vorfeld für weltweite Schlagzeilen gesorgt hat. Die Fülle der gesammelten Daten bedeutet für die Forscher in aller Welt noch jahrelange Arbeit. Daraus wird sich dann aber schließlich ein neues Bild des Saturn und seiner Monde formen, dessen Umrisse jetzt schon zu erkennen sind. DBH

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