Dick Kräuter auf das Butterbrot

Für den Extrembotaniker Jürgen Feder liegt das Essen auf der Straße, ist meistens grün und immer gesund

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Pure Lebens- und Entdeckerfreude vermittelt Jürgen Feder in seinem dritten Buch. Der Ingenieur für Landespflege nimmt uns mit auf 32 Wanderungen in verschiedene Teile der Republik. An den Pflanzen interessiert ihn nicht nur ihre Herkunft, sondern ebenso, ob sie, wie der eingeschleppte Japanische Staudenknöterich oder besser dessen hohle Sprosse, nicht auch mit Mett gefüllt werden könnten wie eine Kohlroulade.

Manche der Exkursionen sind kurz und knapp nur einem Kraut gewidmet, so dem Seltsamen Lauch in Hannover oder dem rötlich-violett blühenden Kohl-Lauch an einem Deich in Bremen. Bereits nach wenigen Seiten glaubt die Rezensentin, Feder schon ewig persönlich zu kennen, weiß vom Thermomixgebrauch seiner Partnerin oder den Salatgewohnheiten seines Vaters. Manchmal verplaudert sich der Botaniker etwas, der muntere Grundton lässt die eine oder andere Binse durchgehen wie die von den verschiedenen Geschmäckern. Feders Begeisterung für dickbeschmierte Butterbrote mit noch dicker Kräutern obendrauf machen die Abschweifungen wieder wett.

Behände gibt der bekennende Extrembotaniker Einblicke in verschiedenste Wissensgebiete. So stellt er kurz die Signaturlehre vor, wonach Pflanzen oft danach aussehen, wobei sie hilfreich sein könnten, etwa die Lungenblume mit den hell gefleckten Blättern. Sie wurde früher gegen leichte Brustentzündungen oder Blutspeien eingesetzt. So glaubte man auch, dass der Löwenzahn mit seinen leuchtend gelben Blättern gegen Gelbsucht gut sei. Paracelsus verhalf dieser Lehre aus der Antike im Mittelalter zu weiter Verbreitung.

Wer die Pflanzen noch nicht kennt, braucht wahrscheinlich zusätzlich ein Bestimmungsbuch oder eine entsprechende App für das Smartphone, denn die Fotos sind nicht immer eindeutig zuzuordnen. Vom Acker-Schmalwand über den Gewöhnlichen Gilbweiderich bis zum Zurückgebogenen Amarant gibt es 140 essbare und heilende Pflanzen zu entdecken, also durchaus nicht nur den vielgeschmähten und -besungenen Giersch oder das Gänseblümchen.

Nicht nur lecker, auch nützlich sind viele der vorgestellten Kräuter. Einige Sträucher und Bäume kommen hinzu. Nützlich sind außerdem die Hinweise auf lebenswichtige Unterschiede - nämlich die zwischen dem Wiesen-Kerbel oder dem selteneren, aber giftigen Gefleckten Schierling. Gewarnt wird auch davor, von manchen Blättchen zu viel zu essen oder zu viel zu erwarten, was den Geschmack betrifft. Das ist jedoch nur selten nötig. Staunen machen die vielfältigen, manchmal sogar gegensätzlichen Anwendungsmöglichkeiten. So sollen frische Wildblaubeeren gegen Durchfall helfen, getrocknete hingegen gegen Verstopfung.

Dass Feder (oder die Verlagsredaktion) eine entwickelte praktische Ader hat, merkt man spätestens beim Register. Im Verzeichnis der Pflanzen sind die nutz- und genießbaren Teile mit vermerkt. Neben dem Sachregister Gesundheit erfreut jenes zu Küchenfragen mit Stichworten wie »als Dekoration« oder »wie Spargel«. Spätestens auf diesen letzten Seiten staunt man darüber, wie viel Feder in einem Paperback unterbringt, ohne dass seine Botanik jemals langweilig wird.

Jürgen Feder: Feders kleine Kräuterkunde. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2017, 270 Seiten, brosch., 9,99 €.

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