Mondlandung im Körper

Konferenz sieht Goldgräberstimmung bei Stammzellfirmen

  • Carola Pahl, Frankfurt/Main
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Trotz gesetzlicher Einschränkungen bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen frohlocken Forscher und Investoren auch in Deutschland. Dies war der Tenor der bundesweit ersten Stammzellen-Investorenkonferenz »Stem Cell 2007« dieser Tage in Frankfurt/Main.

»Durch die Stammzellforschung gewinnen wir eine komplett neue Qualität in der Medizin«, meint Jürgen Hescheler. Der Professor an der Universität Köln hält den Entwicklungssprung für vergleichbar mit der Mondlandung. Deshalb benötige der kommerzielle Durchbruch noch etwas Zeit und vor allem Kapital. Die regenerative Medizin, bei der Stammzellen krankes Gewebe erneuern, stehe in Zukunft gleichberechtigt neben der Behandlung mit Medikamenten und der Chirurgie, meint Eberhard Lampeter, Betreiber einer Nabelschnurblutbank in Leipzig. Doch die Investitionen stocken, was Jürgen Hescheler mit einer »Funding Gap« (Deckungslücke) erklärt. Es fehlten junge Startup-Unternehmen, die in die Lücke zwischen universitärer Forschung und kommerzieller Anwendung springen. Glaubwürdigkeit sei derzeit die wichtigste Voraussetzung, um Investitionen in Gang zu bringen, so Kai Pinkernell von der US-Firma Cytori Therapeutics. »Seit Beginn der Stammzellforschung wurde jede kleine Entwicklung so hoch gehängt, dass sich Enttäuschung über die Jahre breit gemacht hat. In Zukunft müssen wir besser die Spreu vom Weizen trennen.« Für Negativschlagzeilen hat vor allem die Forschung mit embryonalen Stammzellen gesorgt, zu deren Herstellung Embryonen benötigt werden. Sie sind toti- oder pluripotent - theoretisch kann wieder ein vollständiges Lebewesen daraus entstehen. Aus ethischen Gründen dürfen in Deutschland keine embryonalen Stammzellen hergestellt werden. Die Forschung ist nur mit importierten älteren Zelllinien erlaubt. In der therapeutischen Anwendung spielen adulte Stammzellen derzeit die wichtigere Rolle. Laut Pinkernell haben sie das größere Potenzial für die regenerative Medizin. Adulte Stammzellen sind ausdifferenzierter als embryonale. Doch auch ihre Wandlungsfähigkeit hat sich als beeindruckend erwiesen. Ein Vorteil gegenüber embryonalen Stammzellen ist: Sie können »autolog« eingesetzt werden - der Patient wird mit seinen eigenen Stammzellen behandelt. Die Firma Cytori Therapeutics gewinnt adulte Stammzellen aus dem Bauchfettgewebe. Mit einer Spritze entnehmen Ärzte die gelbliche Masse, aus der anschließend die Stammzellen isoliert werden. Herzinfarktpatienten können ihre eigenen Stammzellen aus dem Fettgewebe direkt ins Herz injiziert bekommen, wodurch die Wiederherstellung des abgestorbenen Herzgewebes unterstützt wird. Derzeit gebe es noch keine Therapie mit embryonalen Stammzellen, so der Frankfurter Hämatologe Dieter Hoelzer. Die Forschung sei jedoch wichtig, um die Stammzelltherapien insgesamt voranzubringen. Einen Ausweg aus der ethischen Problematik sieht er in der Herstellung neuartiger Zelllinien, die die Eigenschaften embryonaler Stammzellen besitzen, aber nicht aus Embryos hergestellt werden müssen. Embryonale Stammzellen könnten aber auch eine Gefahr für Patienten darstellen. Denn sie haben das Potenzial, Tumore zu bilden und die Langzeitwirkungen im fremden Körper kenne man nicht. Dieter Hoelzer arbeitet mit adulten Stammzellen. Sein Transplantationszentrum führt Knochenmark- und Stammzelltransplantationen an Patienten mit hämato-onkologischen Systemerkrankungen - beispielsweise Leukämie - durch. Der Kölner Experte Hescheler dagegen forscht mit embryonalen Stammzellen von Mäusen. Der Vorteil: Diese seien undifferenziert und unbegrenzt vermehrbar. Im Tiermodell habe seine Arbeitsgruppe bereits eine Herzzellentransplantation durchgeführt. Neben dem therapeutischen Einsatz von embryonalen Stammzellen sieht er die Möglichkeit, sie für »Screening Systems« zu benutzen. Arzneimittel könnten mit Hilfe von embryonalen Stammzellen schnell und einfach getestet werden. Auch kommerziell wird der therapeutischen Anwendung von Stammzellen Zukunftsfähigkeit beschieden. Die Unternehmensberatung Helmut Kaiser aus Tübingen schätzt den Umsatz im Jahre 2020 auf 171 Milliarden US-Dollar. Werner Brech von der Advanced Asset Management AG spricht sogar...

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