Thüringen steht auf Gigaliner

Pilotprojekt nicht gestoppt / Umweltschützer kritisieren Folgekosten

  • Peter Liebers, Erfurt
  • Lesedauer: 2 Min.
Thüringen will aller Kritik zum Trotz weiter an einem Pilotprojekt zum Einsatz von Gigalinern auf einer speziell ausgewiesenen Strecke arbeiten.
Matratzen aus Weida sollen künftig per Monster-Truck nach Erfurt transportiert werden. Das Pilotprojekt bewege sich in den Landesgrenzen, betont ein Sprecher des Verkehrsministerium. Deshalb könne der Freistaat hierüber allein entscheiden. Derzeit werde die Strecke geprüft. Kritisch sei nur die Zufahrt vom Werk zur Autobahn, auf der die 100 Kilometer lange Strecke problemlos abgewickelt werden könne. Das Ministerium arbeitet mit dem Matratzenhersteller und einem benachbarten Fahrzeugproduzenten zusammen. Aus Regierungssicht ein wirksamer Beitrag zur Kombination von Straßen- und Schienentransport. Anders sieht das die Allianz pro Schiene. Das Bündnis aus Gewerkschaften und Umweltverbänden wies kürzlich darauf hin, dass gerade jene Bundesländer Feldversuche mit Riesen-Lkw planen oder durchführen, in denen die Hersteller solcher Fahrzeuge sitzen. Und sie lobte Thüringen zu Unrecht dafür, die Gigaliner-Projekte auf Eis gelegt zu haben. Das betrifft laut Ministerium nur zwei Vorhaben in Nord- und Südthüringen, weil diese Nachbarländer tangierten. Also gelte, wehret den Anfängen, sagte der Sprecher der Allianz, Maximilian von Beyme, gegenüber ND. Mit derart eng gefassten Projekten wie dem in Thüringen aber könne seine Organisation durchaus leben. Trotzdem bleibe die Befürchtung, dass eine Salamitaktik betrieben wird. Damit die 25 Meter langen und bis zu 60 Tonnen schweren Lkw bundesweit fahren können, sind jüngsten Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums zufolge allein an Brücken Ausgaben in Höhe von vier bis acht Milliarden Euro erforderlich - Tunnel, Einmündungen und andere Infrastrukturbereiche noch nicht eingerechnet. Trotz der negativen Kosten- und Sicherheitsbilanz wollen Bundesländer wie Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen am Einsatz der Ungetüme festhalten, konstatiert die Allianz pro Schiene. Würden den Riesen-Lkw sämtliche Folgekosten angelastet, wäre das Thema sofort erledigt, meint von Beyme. Angesichts der drohenden Belastungen für die Allgemeinheit sollte Mecklenburg-Vorpommern dem Druck der Hersteller standhalten und Abstand von den geplanten Feldversuchen mit Riesen-Lkw nehmen, so Allianz-Geschäftsführer Dirk Flege. Er verwies dabei auf eine der Allianz vorliegende, unveröffentlichten Studie, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erarbeitet wurde. Danach droht der Schienengüterverkehr in Deutschland durch Riesen-Lkw rapide an Bedeutung zu verlieren. In einzelnen Bereichen könnte ein Drittel der Fracht auf die Straße wandern. Würden Monstertrucks bundesweit eingeführt, drohen hunderttausende zusätzlicher Lkw-Fahrten, warnt Flege. Allein im »Kombinierten Verkehr« würden nach Angaben der Ministeriums-Gutachter knapp 14 Millionen Tonnen Fracht, das sind 32,3 Prozent der untersuchten Schienentransporte, auf die Straße abwandern. Nach Überschlagsrechnungen der Allianz pro Schiene bedeuten das rund 400 000 zusätzliche Fahrten mit überlangen und überschweren Lkw pro Jahr. Damit würden sämtliche Klimaschutz- und Verkehrssicherheitspläne der Bundesregierung torpediert.
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