nd-aktuell.de / 27.09.2017 / Politik

Tscheche erhält Bewährungsstrafe für Stein- und Flaschenwürfe

29-Jähriger ließ sich nach eigenen Angaben von »aggressiver Stimmung hinreißen« / 18 Monate auf Bewährung auch für 31-jährigen Spanier

Hamburg. Wegen Flaschen- und Steinwürfen auf Polizisten beim G20-Gipfel hat das Amtsgericht Hamburg einen 29-Jährigen zu anderthalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der tschechische Angeklagte gestand am Dienstag, am Abend des 7. Juli im Stadtteil St. Pauli fünf Steine und zwei Flaschen auf Polizisten geworfen zu haben. »Ich habe mich von der aggressiven Stimmung, die zwischen Polizisten und Demonstranten herrschte, hinreißen lassen«, sagte er in einer Erklärung, die sein Verteidiger verlas.

Das Gericht sprach den Barmann aus Prag des schweren Landfriedensbruchs, der versuchten gefährlichen Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig. Als Bewährungsauflage muss er 1600 Euro an die Staatskasse zahlen und zudem eine DNA-Probe abgeben. Nach knapp drei Monaten Untersuchungshaft ordnete der Richter die Freilassung an.

Nach Aussage eines verdeckt eingesetzten Polizisten war der Angeklagte schwarz gekleidet gewesen und hatte sich mit einem roten T-Shirt auffällig maskiert. Wenigstens zwei der faustgroßen Steine habe der 29-Jährige bei sich gehabt. Er habe die Steine und Flaschen innerhalb von zehn Minuten auf die Polizisten geworfen und mindestens dreimal getroffen. Ob jemand verletzt wurde, konnte das Gericht nicht feststellen.

Die Staatsanwältin hatte ihre Strafforderung von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung auch mit generalpräventiven Aspekten begründet. Es seien bürgerkriegsähnliche Zustände in Hamburg gewesen, die das Vertrauen in den Schutz des Staates erschüttert hätten.

Der Verteidiger argumentierte, die Schutzpanzerung der Polizisten kompensiere üblicherweise Steinwürfe. Diese seien darum nicht so gefährlich wie von der Staatsanwaltschaft behauptet. Die Auseinandersetzungen am Rande des G20-Gipfels seien auch zum Teil vom Staat verschuldet worden.

31-jähriger Spanier ebenfalls zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt

Wegen zweier Flaschenwürfe auf Polizisten beim G20-Gipfel hat das Amtsgericht Hamburg auch einen 31-Jährigen zu anderthalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. »Ich bin davon überzeugt, dass es sich um keine Spontantat gehandelt hat«, sagte die Richterin am Montag in ihrer Urteilsbegründung. Der spanische Verwaltungsangestellte sei Anfang Juli zur Demonstration »Welcome to Hell« nach Hamburg gereist und habe nach Ende der Kundgebung gezielt zweimal eine Flasche auf Beamte geworfen. Mit seiner Tat habe er Angst und Schrecken verbreitet. »Das ist nach meiner Überzeugung Terror«, sagte die Richterin. Zugunsten des Angeklagten wertete sie dessen volles Geständnis. Außerdem habe er Reue bekundet.

Mit dem Urteil entsprach das Gericht weitgehend der Forderung der Staatsanwältin, die auch noch eine Geldbuße gefordert hatte. Der Verteidiger hatte sich für eine Haftstrafe von unter einem Jahr auf Bewährung ausgesprochen.

Verwaltungsgericht bezeichnet Vorgehen von Polizisten als unrechtmäßig

Unterdessen hat das Hamburger Verwaltungsgericht erstmals das Handeln von Polizisten während des G20-Gipfels als rechtswidrig eingestuft. Zwei Jugendliche seien demnach während ihrer Anreise mit einem Bus der sozialistischen Jugendorganisation die Falken zu Unrecht in Gewahrsam genommen worden. Dies stellten die Richter in einem sogenannten Anerkennungsurteil fest, die Hamburger Polizei muss die Kosten des Rechtsstreites tragen.

Mehr als 40 Jugendliche, darunter Mitglieder der Falken, der Grünen Jugend, der Alevitischen Jugend und der Gewerkschaftsjugend wollten am 8. Juli die Großdemonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« in Hamburg besuchen. Am frühen Morgen eskortierten jedoch Polizisten den Bus erst zur Raststätte Stillhorn und kurz darauf zur Gefangenensammelstelle in Harburg. Nach Berichten der Jugendlichen mussten diese dort über vier Stunden warten, sich zum Teil nackt ausziehen und Körperuntersuchungen über sich ergehen lassen. Anrufe bei Anwälten seien ihnen verweigert worden, Toilettengänge hätten nur unter Aufsicht erfolgen können.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) erklärte noch im Juli, dass bei der Kontrolle ein »Fehler« passiert sei. Vertreter der Falken warfen der Polizei »Schikane« vor, während diese lediglich behauptete, es habe sich bei dem Bus um eine »Verwechselung« gehandelt. dpa/seb