Sieben Scheiben, sieben Steine

Anschläge auf sächsische Linkspartei-Büros häufen sich

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer öfter werden Büros der Linkspartei in Sachsen zum Ziel von Anschlägen. Die Partei vermutet eine konzertierte Aktion mit rechtem Hintergrund. Das Innenministerium sieht dafür keine Anhaltspunkte.
Das ehemalige Gardinengeschäft in der Äußeren Weberstraße in Zittau hat sieben Fensterscheiben. Am frühen Sonntagmorgen ging die dritte zu Bruch. Ein Betonstein, der ursprünglich eine Rasenfläche begrenzt und den der Werfer auf einer nahen Baustelle gefunden hatte, landete im Laden. Nur 24 Stunden waren da seit dem letzten Anschlag vergangen. Die neuen Mieter des Ladens sind beunruhigt. Erst elf Tage ist es her, dass die Linkspartei in dem Geschäft ein Büro eröffnete; offiziell ist es noch nicht einmal eingeweiht. Von der Lage direkt am Altstadtring erhofft sich die Partei regen Besucherverkehr und öffentliches Interesse. Nicht gerechnet hat man aber mit Steinwürfen und fortgesetzter Zerstörung. Bösartige Schreiben oder bespuckte Fenster habe es in den sechs Büros in der Region hin und wieder gegeben, sagt Regionalgeschäftsführer Mirko Schulze. Gewalttätige Attacken aber seien »weder üblich noch zu erwarten gewesen«. Die Einschätzung mag für Zittau gelten; aufs ganze Land betrachtet, sieht die Linkspartei eine beunruhigende Entwicklung. Immer häufiger gibt es Übergriffe auf ihre Büros. Betroffen waren Einrichtungen in Mittweida und vor allem Leipzig. Dort sind mittlerweile Bürgerbüros von drei Landes- und Bundestagsabgeordneten beschädigt worden: Türen wurden aufgehebelt, Farbbeutel geworfen, Hakenkreuze geschmiert. Zuletzt erwischte es Dietmar Pellmann. Der direkt gewählte Landtagsabgeordnete in Leipzig-Grünau betreibt ein Büro in einem Ärztehaus mitten in dem Plattenbauviertel. In der Nacht zum 21. Februar wurden exakt sieben Pflastersteine durch die Fenster geschleudert. Splitter hätten »wie Schnee« im Raum gelegen, heißt es. Auch im knapp 100 Meter weiter gelegenen Büro der SPD-Abgeordneten Margit Weihnert landeten sieben Pflastersteine an den Fenstern. Weil diese aus Spezialglas sind, wurden sie nur zertrümmert, aber nicht durchschlagen. Von Einzelfällen will Rico Gebhardt angesichts dessen nicht mehr sprechen. Es handle sich vielmehr um eine »Serie von Anschlägen«, erklärt der Linkspartei-Landesgeschäftsführer, der »militant-rechtsextremistische« Motive vermutet. Offenbar sollten »die Arbeit der demokratischen Opposition behindert« und Mitarbeiter eingeschüchtert werden. Ähnlich hatte sich zuvor bereits André Hahn, parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, geäußert. Er verlangte von Innenminister Albrecht Buttolo, »dieses Bedrohungspotenzial bei der Bewertung der Sicherheitslage in Sachsen angemessen zu berücksichtigen« und »mit Hochdruck« zu ermitteln. Anders als in der Linkspartei, geht man im Innenministerium aber zunächst nicht von konzertierten Aktionen aus. Dafür gebe es derzeit »keine Anhaltspunkte«, so Sprecher Andreas Schumann auf ND-Anfrage. So lange sich daran nichts ändere, oblägen die Ermittlungen den örtlichen Behörden. Die tappen derzeit bei der Tätersuche noch im Dunkeln. Es werde wegen Sachbeschädigung ermittelt, sagt der Sprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien, Uwe Horbaschk, zu den Anschlägen in Zittau. Auf Nachfrage erklärte er, gesicherte Erkenntnisse zu einer politischen Motivation gebe es derzeit nicht. Immerhin wurde inzwischen eine Ermittlungsgruppe im Dezernat Staatsschutz eingerichtet. Zudem würden Streifen das Büro stärker im Auge behalten. Dessen Betreibern bleibt einstweilen nichts anderes übrig, als die zersplitterten Scheiben zu ersetzen. Das ist eine kostspielige Angelegenheit: Pro Fenster werden für eine Reparatur rund 700 Euro fällig. Geprüft wird, ob Sicherheitsglas eingesetzt wird. Auf eine Überwachung mittels Videokamera will Mirko Schulze verzichten. Da die Partei sonst gegen dieses Instrument streite, wäre eine Befürwortung in diesem Fall »ziemlich inkonsequent«.
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