• Politik
  • Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen begann gestern seine Frühjahrssitzung

Kredit in Genf ist fast aufgebraucht

Blockbildung behindert Arbeit des UN-Gremiums / Nahost-Konflikt wieder Zankapfel

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Krise im sudanesischen Darfur und der Nahostkonflikt sind zwei der beherrschenden Themen auf der dreiwöchigen Frühjahrstagung des UN-Menschenrechtsrates, die am Montag in Genf begann.
Ein Jahr hat sich der seit Juni 2006 agierende Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gegeben, um seinen Stil zu finden. Viel Zeit bleibt den 47 Mitgliedstaaten nicht mehr, bisher fand das mit Vorschusslorbeeren gestartete Nachfolgeprojekt der Genfer Menschenrechtskommission vor allem Kritik. Auch wenn man hinter den Kulissen bei der Klärung diverser Arbeitsfragen vorangekommen sein mag, ob es nun um das Vorgehen bei der periodischen Überprüfung der Staaten, die Mandatserneuerung der UN-Berichterstatter, die Mitarbeit von Nichtregierungsorganisationen oder das Prozedere der Einzelklage geht. Entscheidend aber ist zum einen, dass die Menschenrechtslage durch den Rat in allen Staaten der Welt regelmäßig kontrolliert wird, wie gestern zum Auftakt auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte. Nur so könne der Vorwurf entkräftet werden, die UNO handele aus machtpolitischem Kalkül. Die Bundesrepublik, eines der Gründungsmitglieder, will den Rat zu einem schlagkräftigen Gremium mit hoher Glaubwürdigkeit machen. Das fällt schwer, wenn sich wichtige Staaten wie Russland und China gegen eine regelmäßige Prüfung ihrer Menschenrechtslage wehren oder Berichte über einzelne Länder abgehandelt werden, ohne dass man die jeweilige Regierungsführung beurteilt, wie Nichtregierungsorganisationen beklagen. Die USA haben dem Menschenrechtsrat die Zuständigkeit für das Vorgehen im Antiterrorkampf gleich weitgehend abgesprochen. Terrorismusthemen lägen meist außerhalb des Geltungsbereichs von UNO-Menschenrechtsabkommen. Im neuen Mechanismus der jährlichen Überprüfung aller Staaten (Universal Periodic Review) sehen Menschenrechtsaktivisten durchaus ein brauchbares Instrument, um erfolgte oder drohende Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu machen. Aus Sicht der Opfer aber sei es nur dann erfolgreich, wenn auch konkrete Auflagen für die betreffenden Regierungen folgten. In schwer wiegenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen und bei nachgewiesener Unwilligkeit zur Zusammenarbeit, etwa in Sudan oder bei den geheimen CIA-Gefängnissen der USA, müsse es auch zu einer Verurteilung kommen, fordert das »Forum Menschenrechte«. Es geht zweitens also vor allem darum, dass die Ermittlungen des Menschenrechtsrats nicht ohne Folgen bleiben. Doch seine Arbeit werde viel zu sehr vom Blockdenken bestimmt, kritisierte Amnesty International, das habe schon die Menschenrechtskommission gelähmt. »Wir müssen aufpassen, dass der Rat nicht zu einer neuen Abrüstungskonferenz wird«, meinte ein Diplomat in Genf. Die bleibt an gleicher Stelle seit Jahren ohne Ergebnis. So prangert die Gruppe islamischer Staaten Israel an, ohne etwa Menschenrechtsverletzungen der radikal-islamischen Hisbollah zu erwähnen, während Nichtmitglied USA mit erheblichem Druck versucht, Verurteilungen Israels zu verhindern oder abzuschwächen. Der Nahostkonflikt wird auch auf der Frühjahrstagung wieder für erheblichen Streit sorgen. Der südafrikanische UN-Experte John Dugard präsentiert dem Rat ein Gutachten mit harschen Vorwürfen gegen Israel. Er vergleicht dessen Vorgehen in den palästinensischen Gebieten mit der rassistischen Politik der »Apartheid«. Die Mauer in Ost-Jerusalem diene der »Judaisierung Jerusalems, indem die Zahl der Palästinenser reduziert wird«. Auch enthalte die Regierung Israels der Palästinenserbehörde Steuereinnahmen vor. Zudem habe sich das Militär diverser Kriegsverbrechen schuldig gemacht und bei Aktionen im Ga-zastreifen Schulen, Krankenhäuser, Geschäfte, Moscheen und öffentliche Versorgungseinrichtungen beschädigt oder zerstört. »Die Belagerung des Gazastreifens ist eine Form der kollektiven Strafe und nach der Vierten Genfer Konvention verboten«, urteilt Dugard, der aber auch palästinensische Raketenangriffe als Verbrechen brandmarkt. Israel wiederum begründet Beschränkungen der Bewegungsfreiheit für die Palästinenser mit der Abwehr von Terroranschlägen. Der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf hat bereits gegen den Bericht protestiert und warf ihm Einseitigkeit vor.
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