Umgesiedelt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Die Flucht der deutschen Zivilbevölkerung vor den herannahenden sowjetischen Truppen und noch mehr die Umsiedlungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind heikle Themen. Man kann dem überhaupt nur gerecht werden, wenn man diese Vorgänge in den historischen Zusammenhang stellt. In einer neuen Publikation der Landeszentrale für politische Bildung über »Vertriebenenlager in Brandenburg 1945-1953« ist das für meinen Geschmack nicht in der erforderlichen Deutlichkeit geschehen. Leid lässt sich zwar nicht aufrechnen, aber die Ursache und die Vorgeschichte kann man nennen. Man muss sie sogar nennen: Die Umsiedlungen hätte es ohne den faschistischen Angriffskrieg nicht gegeben und zuerst vertrieben Nazis Tschechen aus dem besetzten Sudetenland.
Treffend geschildert ist hingegen die missliche Situation der Nachkriegsjahre. In der schwer zerstörten Region Brandenburg müssen hunderttausende so gut wie mittellose Umsiedler aufgenommen werden. Es herrschen Chaos und Hunger. Seuchen grassieren. 1947 leben 612 684 Umgesiedelte in der Mark, was einem Bevölkerungsanteil von 27 Prozent entspricht. Sie wohnen oft in abbruchreifen Gebäuden ohne Strom und Wasser, in Ställen, Baracken, Erdlöchern oder auf engstem Raum zusammengepfercht.
Die Behörden versuchen mit Geld, Arbeitsvermittlung und Umschulungen zu helfen. Ein wichtiger Schritt ist die Bodenreform. Bis September 1946 erhalten 18 160 Umsiedlerfamilien 155 190 Hektar Land und damit eine Existenzgrundlage, doch weil es an Vieh und Geräten mangelt, geben etliche Familien den Besitz wieder ab.
Ausführlich schildert der Autor des Buches die Geschichte des Umsiedlerlagers Fürstenwalde. Es wurde in den Baracken eingerichtet, in denen vordem Zwangsarbeiter untergebracht waren, die für die Glühlampenfirma Pintsch schuften mussten. Ab September 1948 schleuste man 5000 Kriegsheimkehrer durch das Lager Fürstenwalde. Man hatte sie in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern für den Polizeidienst in der sowjetischen Besatzungszone angeworben und überprüfte die Leute nun noch einmal.

Sven Olaf Oehlsen: »Vertriebenenlager in Brandenburg 1945-1953«, Landeszentrale...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.