»Von effektivem Rechtsschutz keine Rede mehr«

Petitionsausschuss legte Liste mit klaren Fällen von Fehlern von Behörden offen

  • Winfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie es im Leben manchmal kommt, und wie abweisend Behörden sein können: Kein Landtagsausschuss kann davon ein lauteres Lied singen als der Petitionsausschuss. Jetzt legte er die Liste der bemerkenswertesten Fälle vor - wenn auch anonymisiert. Etwa zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes stellte eine Brandenburgerin fest, dass das Grab ständig verwüstet wurde. Blumen wurden herausgerissen, Pflanzschalen beschädigt. Appelle an die Friedhofsverwaltung halfen nichts. Die Frau wandte sich schließlich an die Polizei, um dort eine Anzeige aufzugeben. Dort hieß es allerdings »Annahme verweigert«, ihr wurde »Eigeninitiative« empfohlen. Die übernahm die Frau mit ihrer Familie dann auch. Und tatsächlich, der Sohn stellte zwei Personen während erneuter Beschädigungen. Als er die Täter zur Rede stellte, kam es zu Tätlichkeiten, und der Sohn hatte eine Anzeige wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung am Hals. Im Gegenzug wurden die beiden Grabschänder von der Familie angezeigt, doch dieses Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Petitionsausschuss rügte in diesem Fall eindeutig Polizei und Justiz für »mehrere Fehler«. Unbedingt hätte die Polizei die Anzeige aufnehmen müssen. Die Justiz hätte nicht gegen »Unbekannt« ermitteln dürfen, da die Beschuldigten bekannt waren. Der Ausschuss konnte durchsetzen, dass die Staatsanwaltschaft nun im Sinne der geschädigten Familie Ermittlungen aufgenommen hat. In einem anderen Fall beschwerte sich ein Untersuchungsgefangener beim Ausschuss darüber, dass er in kürzester Zeit viermal verlegt worden sei. Das stelle für ihn eine große Belastung dar. Im Bericht heißt es: »Der Petitionsausschuss musste feststellen, dass der Petent tatsächlich an einer schweren psychischen Erkrankung leidet.« Das Gremium setzte durch, dass der Gefangene an den Ort der ersten Inhaftierung zurückgebracht wurde, wo er arbeitstherapeutisch behandelt werden konnte. Ein weiterer Untersuchungsgefangener führte beim Ausschuss Klage darüber, dass nach getaner Arbeit für die Gefangenen oft nur noch kaltes Wasser zum Duschen vorhanden sei. Nachdem der Petitionsausschuss eingriff, wurden Duschpläne und -anlagen in der Anstalt technisch so verändert, dass für alle arbeitenden Gefangenen ausreichend warmes Wasser zum Duschen vorhanden ist. Als Problem wurde auch die Dauer von Gerichtsverfahren in Brandenburg benannt. Eine Petentin machte darauf aufmerksam, dass ihr Sohn wegen eines Verkehrsunfalls berufs- und erwerbsunfähig geworden sei und seit Jahren einen Rechtsstreit mit der Versicherung habe. Das Gericht hatte einen Verhandlungstermin auf Februar 2005 festgesetzt und ihn dann zweimal verlegt - erst auf September, dann wegen einer Feier zur Einweihung eines Gerichtsgebäudes auf Januar 2006. Der Ausschuss verwies darauf, dass er nicht in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen, aber nachvollziehen könne, dass solche Verschiebungen »auf kein Verständnis in der Bevölkerung stoßen«. Die Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren in Brandenburg sei nicht zufriedenstellend. Betroffene hätten zu Recht darauf hingewiesen, dass bei einer Länge von mehr als vier Jahren »von einem effektiven Rechtsschutz nicht mehr die Rede sein könne«.
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