Das Dingliche bleibt in der Stille

Skulpturenschau von heute im Georg-Kolbe-Museum erfüllt universellen Anspruch nicht

  • Manuela Lintl
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Birgit Diekers lebensgroße Skulptur »Olga« empfängt in gelassener Haltung die Besucher des Kolbe-Museums. Die Figur ist von Kopf bis Fuß von vielen Stoffschichten umhüllt. Gezielte, kraterförmige Einschnitte legen die textile Vielschichtigkeit frei, ohne jedoch tatsächlich zum Kern der Dinge vorzudringen. Das Wesentliche bleibt verborgen und »Olga« ein Rätsel. 24 jüngere Bildhauer sind exemplarisch mit ein oder zwei Arbeiten im Georg-Kolbe-Museum versammelt. Die Präsentation wirkt dabei wie eine lose Aneinanderreihung von Objekten, die sich eher voneinander abgrenzen als einen Dialog einzugehen. Es herrscht Stille, denn bei der material-ästhetisch bestimmten Auswahl wurden »installative, ephemere oder kontextbezogene Kunstbegriffe« von vornherein ausgegrenzt. Nur das Stoffliche, Materielle und die technische Brillanz, egal ob mit edlen oder einfachen Materialien ausgeführt, wurde zugelassen. Der Titel »Die Macht des Dinglichen - Skulptur heute!« stimmt und ist dennoch zu hoch gegriffen.
Die von Kurator Marc Wellmann von der Bernhard-Heiliger-Stiftung angestrebte »Standortbestimmung des Plastischen in der zeitgenössischen Kunst« ist bei genauerem Hinschauen eine eingeschränkte Fokussierung auf das aktuelle plastische Schaffen vorwiegend in Berlin. Warum benennt man es dann nicht so? Universeller Anspruch bleibt zwangsläufig unerfüllt und wird zum Manko. Dennoch ist der Zeitpunkt für die Ausstellung günstig, hängt sich die Schau doch erklärtermaßen an den derzeit vom Kunstmarkt propagierten Trend zur Skulptur. Die mediale Aufmerksamkeit ist gesichert, aber auch die Gefahr, funktionalisiert zu werden als seriöser, quasi museal abgesegneter Beweis für eine modische Strömung, die der kommerziell agierende Kunsthandel ausruft.
Auch 2006 war die aktuelle Skulptur im Berliner Ausstellungsgeschehen präsent. Erinnert sei an hochrangige Einzelausstellungen etwa von Tony Cragg, Rebecca Horn oder Hans Haacke. Auch viele Vertreter der nachfolgenden Generationen, wie sie jetzt im Kolbe-Museum versammelt wurden, waren in Galerieausstellungen zu sehen. Die Stärke der thematischen Schau im Kolbe-Museum speist sich jedoch gerade aus Arbeiten, die gewollt oder auch ungewollt kontextuelle Bezüge zulassen. Beispielsweise die ironische Umkehrung der Verhältnisse bei den luftgefüllten Gummiquadern von Harry Hauck, die eine steinerne Oberfläche nachahmen. Oder Stefanie Bühlers originalgetreu nachgebildetes Miniaturmodell eines »Urwalds«, das völlig frei von höheren Lebensformen wie ein üppiges Symbol von Fruchtbarkeit und Fortpflanzung erscheint. Man hätte dieser Schau weniger Formalismus und mehr Mut zu inhaltlichen Fragestellungen gewünscht.

Bis 28.5., Di.-So. 10-17 Uhr, Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, Charlottenburg, Infor...

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