nd-aktuell.de / 29.09.2017 / Aus dem Netz gefischt / Seite 15

Die Köpfe der Hydra

Wie die PR-Profis von Jung von Matt an der AfD scheiterten

Jürgen Amendt

Die PR-Agentur Jung von Matt hatte einen Auftrag - sie sollte der CDU zum Wahlsieg verhelfen. Diesen Auftrag hat die Agentur nicht gerade mit Bravour erfüllt, wie das schlechte Abschneiden der CDU (das schlechteste seit der ersten Bundestagswahl 1949) zeigt. Andererseits hat die Union die Wahl auch gewonnen, und Angela Merkel wird voraussichtlich weiterhin Kanzlerin sein. Thomas Strerath vom Vorstand von Jung von Matt, ist dennoch enttäuscht - und das nicht wegen des schlechten Abschneidens der CDU.

Der Auftrag sei einfach gewesen, schreibt er auf dem Fachportal für Werbung, Marketing und Medien, horizont.net: »Union in der Regierung und Merkel Kanzlerin«. Doch dies sei nur der offizielle Auftrag gewesen, so Strerath weiter. »Der inoffizielle (Auftrag), also der interne, die intrinsische Motivation, sich überhaupt auf einen Wahlkampf einzulassen, waren die erstarkende AfD, der erstarkende Protest und der erstarkende Nationalismus Mitte 2016. Und jetzt ist der externe Auftrag erfüllt. Aber wir sind gescheitert.«

Den Grund für dieses Scheitern an den internen Zielen der Agentur sieht der PR-Mann darin, dass er und seine Agentur sich zu sehr auf den 3. September fokussiert hätten, also auf das TV-Duell zwischen Angela Merkel und dem SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz. »Hier sollte sich entscheiden, was längst entschieden war.« Die Medien hätten sich anschließend »wie im Blutrausch« auf ein neues Thema gestürzt: den Vierkampf um Platz 3.

Und hier habe die AfD »den Mechanismus des Populismus in bester Manier genutzt«. Während die anderen entweder auf »stoische Ruhe« (Linkspartei), »zickige Bürgerlichkeit« (Grüne) oder den »Posterboy Lindner« (FDP) setzten, ließ die die AfD eine »sechsköpfige Hydra« von der Leine. »Der Skandal des einen war die Moderationsplattform des anderen. (...) Hatte man (...) den einen in die Schranken verwiesen, kam ein anderer Kopf zum Vorschein. Immer einer mehr, mit einem unsterblichen Kopf in der Mitte, der Wut (...) Jeder sah sich gefordert, die Rechte zu jeder Zeit und zu jedem Thema anzugreifen.

Ihre Themen sollten keinen Platz haben, aber ihre Vertreter in jeder Talkshow sitzen. Und je stärker man im Establishment erklärte, dass man dieser Wut keinen Platz geben möchte, desto größer wurde sie.« Jung von Matt hätten darauf keine Antwort mehr gefunden, so Sterath selbstkritisch. Und so sei die AfD zwischen dem 3. September und dem Wahltag von einem Umfrageergebnis von 8 Prozent auf 13 Prozent gewachsen.

Der PR-Berater Wolfgang Borgfeld widerspricht in einem Leserkommentar dieser Interpretation: »Strerath & Co sind gescheitert, weil sie keine eindeutige Fokussierung hatten. Sie haben keine Kampagne für die CDU gemacht, sondern eine für Angela Merkel. Und damit den Diskurs der AfD aufgegriffen. Denn die hatte sich als Gegenpol zu ihrem personifizierten Feindbild Bundeskanzlerin Merkel inszeniert (...) So musste der Versuch, die einen klein und die andere groß zu machen, scheitern. Wer in einer parlamentarischen Demokratie Präsidialwahlkämpfe nach amerikanischem Vorbild inszeniert, muss für diese Reduzierung von Komplexität Kolateralschäden in Kauf nehmen.«