nd-aktuell.de / 29.09.2017 / Brandenburg / Seite 11

Zu Hause leben ohne Pflegedienst

33 Prozent der pflegebedürftigen Senioren in Brandenburg werden von Angehörigen betreut

Andreas Fritsche

Senioren möchten in der Regel selbst nicht ins Heim, sondern sie wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen und erforderlichenfalls dort auch gepflegt werden. Das weiß Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Krankenkasse Barmer. Bekannt ist das aus allen möglichen Umfragen.

In Brandenburg leben 75,1 Prozent der Pflegebedürftigen noch zu Hause. Im Bundesdurchschnitt sind es 67,2 Prozent. 34 Prozent der pflegebedürftigen Brandenburger werden von Pflegediensten aufgesucht, 33 Prozent verlassen sich allein auf die Unterstützung durch Angehörige.

Der deutliche Unterschied zu anderen Bundesländern ergebe sich aus den vorhandenen Kapazitäten, erläutert Leyh am Donnerstag. So gebe es auf die jeweilige Zahl der Pflegebedürftigen gerechnet in Schleswig-Holstein fast doppelt so viele Heimplätze.

Doch obwohl Angehörige gegenwärtig die Hauptlast der Pflege tragen und Hilfe bekommen können - die drohende Versorgungslücke werden sie nach Überzeugung von Gabriela Leyh nicht schließen können. »Aus eigener Erfahrung kann ich mir das nicht vorstellen, weil man einfach irgendwann an eine Belastungsgrenze kommt.«

Dabei gibt es durchaus Hilfe von der Pflegekasse. Wer in den Urlaub fahren, sich auch einmal erholen möchte, der könne dies tun. Unter bestimmten Umständen werden für maximal sechs Wochen im Jahr die Kosten für eine Ersatzpflegeperson übernommen. Außerdem gibt es noch die wenig bekannte Möglichkeit der Betreuungshilfe. Bei Pflegestufe 1 bis 4 können 125 Euro monatlich beantragt werden, um damit stundenweise eine Art Haushaltshilfe zu bezahlen, die einkauft oder mit den alten Menschen spazieren geht. Bei Pflegestufe 5 können 215 Euro bewilligt werden. Trotzdem: Auch volkswirtschaftlich wäre es nicht sinnvoll, alle Alten durch Angehörige betreuen zu lassen, weil die pflegenden Kinder oder Enkel dem Arbeitsmarkt dann an anderer Stelle fehlen würden. Denn einen Fachkräftemangel gibt es perspektivisch und teils bereits jetzt nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch im Handwerk und in anderen Branchen. Wegen der Bevölkerungsentwicklung könnten nach Angaben der Barmer im Jahr 2030 in Brandenburg drei von vier Pflegebedürftigen nicht mehr versorgt werden, wenn nicht viel mehr Stellen in der Altenpflege geschaffen und auch besetzt werden.

Aus einer 2014 vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Fachkräftestudie geht hervor: Waren im Jahr 2009 noch 11 000 Fachkräfte bei den Pflegediensten beschäftigt und 15 000 in den Pflegeheimen, so müssten es im Jahr 2030 fast 21 000 bei den Pflegediensten sein und mehr als 33 000 in den Heimen. Nur so ließe sich das Horrorszenario der riesigen Versorgungslücke verhindern.

Zwar werde in Brandenburg im Gegensatz zu etlichen anderen Bundesländern schon kein Schulgeld mehr für die Altenpflegeausbildung verlangt, hebt Leyh lobend hervor. Doch die Ausbildungsvergütung sei im Vergleich zum Lehrlingsgeld in anderen Berufen nicht besonders. Dazu kommt die Aussicht auf geringe Löhne für eine schwere Arbeit. Nicht umsonst hatte die LINKE in ihrem Programm zur Bundestagswahl mindestens 14,50 Euro pro Stunde für Pflegekräfte gefordert. Tatsächlich wird im Moment oft deutlich weniger gezahlt.