nd-aktuell.de / 05.10.2017 / Politik

Wie geht es weiter in Katalonien?

Mögliche Szenarien im Streit um das katalanische Unabhängigkeitsreferendum

Adrien Vicente

Madrid. Katalonien könnte nach den vergangenen Ereignissen und dem Referendum bald sich bald als unabhängig erklären. Nach einem einfachen Ausweg der Krise in Katalonien[1] ist derzeit nicht in Sicht: Die Fronten zwischen Madrid und Barcelona sind verhärtet. Ein Überblick über mögliche Szenarien, wie der Konflikt ausgehen könnte.

Verkündung der Unabhängigkeit

Das katalanische Regionalparlament könnte schon am kommenden Montag einseitig die Unabhängigkeit der Region ausrufen. Bis dahin sollen alle beim Referendum abgegebenen Stimmen ausgezählt sein. Das am 6. September verabschiedete Gesetz über das Referendum sieht vor, dass das Regionalparlament binnen zwei Tagen nach der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses die Unabhängigkeit erklärt. Für den 9. Oktober ist eine Parlamentssitzung zum Ausgang der Abstimmung angesetzt - dann könnte auch die Unabhängigkeit von Spanien verkündet werden.

Aufhebung von Kataloniens Teilautonomie

Um eine Abspaltung Kataloniens zu verhindern, könnte die spanische Regierung den Artikel 155 der Verfassung anwenden - das wäre eine Premiere in der Geschichte des Landes. Der Artikel erlaubt der Regierung alle »notwendigen Maßnahmen«, um eine Region zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Verpflichtungen zu zwingen oder das Allgemeininteresse Spaniens zu schützen. Konkret könnte Madrid die Regionalregierung entmachten und Katalonien die Teilautonomie entziehen.

Als möglich gilt auch, dass die Zentralregierung den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont festnehmen lässt. Allerdings warnen Experten, dass ein Entzug von Kataloniens Teilautonomie zu Massenprotesten führen dürfte. Auch ist die Frage, wie groß der Einfluss der Zentralregierung in Katalonien wirklich ist.

Trotz eines Großaufgebots habe die spanische Polizei beim Referendum nur vier Prozent der Wahllokale schließen können, sagt der Politikwissenschaftler Pablo Simón. »Es hat sich gezeigt, dass die Regierung das katalanische Territorium nicht kontrolliert.«

Neue Verhandlungen und Vermittlung

Dass Madrid und Barcelona trotz internationaler Appelle wieder einen Dialog aufnehmen, erscheint derzeit wenig wahrscheinlich. Puigdemont hat wiederholt eine Vermittlung gefordert, ist damit in Madrid aber auf klare Ablehnung gestoßen: »Die Regierung wird über nichts Illegales verhandeln und wird keine Erpressung hinnehmen«, erklärte zuletzt das Büro von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Madrid verlangt, dass Puigdemont zuerst seine Drohung einer Abspaltung zurücknimmt, bevor »gesprochen oder verhandelt« wird.

Misstrauensvotum gegen Rajoy

Zwischenzeitlich hatte ein Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten als möglich gegolten. Rajoys konservative Volkspartei und die verbündeten liberalen Ciudadanos (Bürger), die strikt gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens sind, haben keine absolute Parlamentsmehrheit. Theoretisch könnten die oppositionellen Sozialisten zusammen mit der linken Podemos-Partei und mehreren Regionalparteien die Rajoy-Regierung stürzen.

Das gilt aber inzwischen als höchst unwahrscheinlich. Denn auch die Sozialisten pochen im Streit um die Zukunft Kataloniens auf die Einhaltung der Verfassung. Mit der harten Haltung der katalanischen Regionalregierung scheint jeder Spielraum für Kompromisse verloren. AFP/nd

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1065611.die-haengepartie-um-die-unabhaengigkeit-geht-weiter.html