nd-aktuell.de / 06.10.2017 / Politik / Seite 7

Lieb war gestern

Zehntausende niederländische Lehrer streiken

May Naomi Blank, Nijmegen

Auf der A4 Richtung Den Haag standen die Busse im Stau, so groß war der Andrang zur Demonstration der Grundschullehrer in Den Haag. 30 000 Lehrerinnen und Lehrer hatten die Gewerkschaften erwartet, der niederländische Nachrichtensender NOS spricht von doppelt so vielen Teilnehmern. 90 Prozent der niederländischen Grundschullehrer legten am Donnerstag - am Welttag des Lehrers - ihre Arbeit nieder. Die Forderung: 1,4 Milliarden Euro für das Bildungssystem, davon 900 Millionen für Lohnerhöhungen.

Wieso sind die Grundschullehrerinnen so wütend? Während Lehrer in Deutschland je nach Bundesland zwischen 21 und 28,5 Unterrichtseinheiten pro Woche unterrichten, beläuft sich eine Vollzeitanstellung in den Niederlanden auf circa 31 Unterrichtseinheiten. Hinzu kommen noch über 18 Zeitstunden pro Woche für Unterrichtsvorbereitungen, Konferenzen und sonstige anfallende Arbeit. Viele Lehrerinnen schaffen es wegen dieser Arbeitsbelastung nicht, Vollzeit zu arbeiten. Burn-out ist weit verbreitet. Obwohl niederländische Lehrer wesentlich mehr Stunden arbeiten als hiesige, verdienen sie deutlich weniger Geld. Das Monatsbruttogehalt für beginnende Lehrerinnen liegt bei 2346 Euro Brutto und kann mit zunehmender Erfahrung auf 3355 Euro Brutto monatlich steigen. Zum Vergleich: In Westdeutschland startet man in der Entgeltgruppe E11 des öffentlichen Dienstes bei einem Bruttogehalt von 3128,79 Euro.

Doch es gibt noch einen Unterschied zu Deutschland: Alle Lehrerinnen dürfen streiken. Am 27. Juni wurde ein erster Warnstreik noch belächelt. Niemand wäre so schlecht im Streiken wie die Grundschullehrer, witzelte ein Comedian. Sie wären so lieb, dass sie an Streiktagen gratis Kinderbetreuung organisierten. Doch lieb war gestern. Ein Streikbündnis von 40 000 Lehrern und Lehrerinnen übt kontinuierlich Druck auf das sich formierende Kabinett aus. 270 Millionen Euro für Lohnerhöhungen wurden schon versprochen. Damit geben sich die Streikenden nicht zufrieden. Für den November droht das Streikbündnis mit weiteren Streiks.