nd-aktuell.de / 10.10.2017 / Politik / Seite 20

Diebe stoppen Weltreisende

Franzosen fahren von Hongkong in die Normandie

Wolf H. Wagner, Florenz

Vor elf Monaten war Etienne Godard gemeinsam mit seiner Partnerin im chinesischen Hongkong aufgebrochen. Das französische Ärztepaar wollte ein Sabbatjahr nutzen, um per Fahrrad einen Teil der Welt kennenzulernen. 15 000 Kilometer wollten sie auf den zwei Rädern zurücklegen.

Sie durchquerten China, bereisten Indien und Indonesien, durchfuhren die Türkei. Auf dem Weg nach Europa ließen sie wenige Länder aus, für die sie kein Visum erhielten. Nach elf Monaten kamen sie in Italien an. Sie verbrachten einige Tage in Neapel. In Castel Volturno in der Provinz Caserta legte das Paar einen Stopp am Strand ein, um ein Bad im Meer zu nehmen. Nur fünf Minuten ließen sie dabei ihre Fahrräder ohne Aufsicht. Diese Zeit reichte einem Dieb, um das Rad Godards samt aller Ausrüstung zu stehlen.

Das Paar kehrte nach Neapel zurück, wo es zuvor eine Unterkunft gefunden hatte. Francesco Langella, Radsportliebhaber und Betreiber einer kleinen Herberge, versuchte zu helfen. Gemeinsam mit Etienne Godard veröffentlichte er einen Facebook-Aufruf, in dem der Dieb aufgefordert wurde, das gestohlene Rad zurückzugeben. »Ich bitte die Facebook-Freunde, mir bei der Wiederbeschaffung meines Fahrrads sowie der vier Taschen, die an ihm montiert waren, zu helfen. Außer dem finanziellen ist es für mich ein schwerer moralischer Verlust. Ich hoffe, dass mein Gepäck - Kleidung, Campingausrüstung, Brillen und Sonnenbrillen, Fotokamera und iPhone - wiedergefunden werden können. Den Finder werde ich belohnen, allen die helfen, danke ich von Herzen.«

Die Reaktion war immens.1605 Mal wurde der Aufruf geteilt, viele riefen zur Hilfe auf. Doch auch Spott und Häme liest man in den Kommentaren: »Wie kann man nur ein Rad unbewacht am Strand stehen lassen, und das bei Neapel, wo man doch weiß, dass die klauen!!« Oder: »Da treiben sich doch jede Menge Flüchtlinge rum, kein Wunder, dass das Rad weg ist.«

Viele Italiener, vor allem aus dem Norden, beschimpfen die Neapolitaner als eine »Bande von Ganoven«. Facebook-Nutzer aus Kampanien hingegen wehren sich und erklären, dies könne auch in jeder anderen italienischen Stadt geschehen. Ein weiterer Nutzer sah sich vom Aufruf angeregt, in französischer Sprache einen Aufruf zu erlassen, weil ihm Gleiches in Fréjus passiert war.

Der freundliche Gastwirt in Neapel stellte dem französischen Arzt sein Fahrrad zur Verfügung und erwarb mit Godard zusammen in einem Kaufhaus eine Basisausrüstung und Kleidung, mit der das Paar die Reise fortsetzen konnte. Die führte zunächst nach Rom, dann ins toskanische Siena. Ende des Monats wollen Etienne Godard und seine Gefährtin die Heimat in der Normandie erreichen.