nd-aktuell.de / 13.10.2017 / Kultur / Seite 14

ANNOTIERT

»Erstaunlich, was sich alles ereignen muss, damit irgendwann das eigene Leben entstehen kann«, stellt Gregor Gysi fest. Der promovierte Jurist und leidenschaftliche Politiker hat linkes Denken in den vergangenen drei Jahrzehnten in Deutschland geprägt wie kaum ein anderer. In seiner Autobiografie »Ein Leben ist zu wenig« erzählt er von seinen zahlreichen Leben: als Familienvater, Anwalt, Abgeordneter, Parteivorsizender, Autor und Moderator. Ein Geschichtsbuch der besonderen Art (Aufbau, 583 S., geb., 24 €).

Er war einer der führenden Regimekritiker der Tschechoslowakei, mehrfach verhaftet und wiederholt im Gefängnis. Nach der Samtenen Revolution von 1989 wurde er zum letzten Präsident dieses Staates gewählt und drei Jahre darauf zum ersten Staatspräsidenten der neuen Tschechischen Republik. Der Journalist Daniel Kaiser zeichnet dessen innen- und außenpolitisches Wirken kritisch nach: »Václav Havel. Der Präsident (1990-2003)« (Böhlau, 368 S., geb., 34,99 €).

Wissenschaftler, Schriftsteller, Melancholiker, Ästhet - Claude Lévi-Strauss hat nicht nur Wissenschaftsgeschichte geschrieben, sondern auch unseren Blick auf uns selbst und auf die Welt verändert. Die Historikerin Emmanuelle Loyer durchmisst das Leben und den intellektuellen Werdegang des weltberühmten Anthropologen: »Lévi-Strauss. Eine Biographie« (Suhrkamp, 1088 S., geb., 58 €).

Noch heute beeindruckt er durch seine außergewöhnliche Integrität und sein Verhandlungsgeschick im Einsatz zur Erhaltung des Weltfriedens. Er reformierte die UNO grundlegend, definierte die Rolle ihres Generalsekretärs neu, bot den Großmächten die Stirn und vertrat die Rechte der kleinen Staaten. Henrik Berggren erinnert in seiner Bild-Text-Monografie an »Dag Hammarskjöld. Das Unmögliche möglich machen« (Urachhaus, 240 S., geb., 38 €).

Für die einen war Mao Zedong ein Monster, für die anderen der verehrte Führer. Doch was hat dieser mit hoffnungsvollen Menschen angestellt, als er 1967 die Kulturrevolution ausrufen ließ? Und was blieb dem Großen Vorsitzenden, als ihm auf dem Sterbebett die Macht über sein Leben und die Macht über sein Volk entglitt? Frank Dikötter über »Mao und seine verlorenen Kinder. Chinas Kulturrevolution« (Theiss, 448 S., geb., 39,95 €).

Berlin um 1800 ist nicht denkbar ohne Alexander und Wilhelm von Humboldt. Die Brüder formten einen intellektuellen Kosmos, der den Ruf »Spree-Athens« begründete. Alexander, der führende Naturforscher seiner Zeit, bereiste die Welt, lebte lange in Paris und kehrte dann in seine Heimatstadt zurück, wo er zum Wissenschaftsstar avancierte. Wilhelm, Staatsmann und Sprachforscher, gründete die Berliner Universität und setzte sich für eine Reformierung Preußens ein. Peter Korneffel zeichnet ein facettenreiches Porträt der beiden ungleichen Brüder: »Die Humboldts in Berlin. Zwei Brüder erfinden die Gelehrtenrepublik« (Elsengold, 208 S., geb., 24,95 €).

Zu Beginn der Woche fahndeten Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt öffentlich nach einem Sexualstraftäter mit dem Bild eines seiner Opfer, eines vierjährigen Mädchens, dessen Identität unbekannt war. Der mutmaßliche Täter konnte bald festgenommen werden. Das Bild des Mädchens fand sich nicht irgendwo im Netz, sondern nur im sogenannten Darknet. also jenem Teil des Internets, in dem die Nutzer die Verbindung zueinander manuell und verschlüsselt herstellen. Das Darknet ist deshalb ein Tummelplatz für Kriminelle. »Im Darknet stellt dir keiner Fragen. Außer, wie viel Gramm Heroin oder ob du lieber eine M24 mit Schalldämpfer oder eine AK-47 mit verstellbarer Stahlkimme willst«, schreibt der Journalist Andrew O’Hagan in seinem neuen Buch. Anhand von drei wahren Fällen berichtet der Autor über die virtuellen Abgründe einer verborgenen Welt: »Das geheime Leben« (S. Fischer, 336 S., geb., 22 €).