nd-aktuell.de / 16.10.2017 / Politik / Seite 14

Am Fraport blickt man besorgt auf den November

Belegschaft warnt vor Chaos nach Betreiberwechsel und fürchtet, dass ältere Beschäftigte auf der Strecke bleiben

Hans-Gerd Öfinger

In der Auseinandersetzung um die Neuvergabe von Bodendiensten am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen stehen die betroffenen Beschäftigten der Firma Acciona wenige Wochen vor einem Betreiberwechsel unter Spannung. Dies kam dieser Tage bei einer Protestaktion von Acciona-Arbeitern vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel zum Ausdruck.

Bodendienste an Verkehrsflughäfen umfassen Arbeiten wie das Be- und Entladen der Flugzeuge, die Reinigung und das Betanken. Wie bereits berichtet, hatte die spanische Firma Acciona, deren deutsche Tochter seit der Jahrtausendwende am Frankfurter Flughafen mit zahlreichen Airlines im Geschäft ist, bei einem Ausschreibungsverfahren für diese Dienste den Kürzeren gezogen. Davon betroffen sind derzeit rund 1300 Beschäftigte. Gewinnerin der vom Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium durchgeführten Neuvergabe ist die Wisag Aviation Service, eine Tochter des Frankfurter Wisag-Konzerns.

Dass mit Wisag eine Firma ohne Tarifbindung im Verfahren überhaupt zum Zuge kam, stieß den Acciona-Beschäftigten und ihrem Betriebsrat sauer auf. Viele vermuten hinter dem Deal ein starkes Stück Lobbyarbeit. Schließlich ist der Wisag-Gründer und Aufsichtsratschef Claus Wisser als SPD-Mitglied seit Jahrzehnten im politischen Hessen gut vernetzt. Sein Wisag-Konzern ist mit den zunehmenden Privatisierungen und Ausgliederungen von Dienstleistungen bei staatlichen Stellen und Privatfirmen stetig gewachsen. Wisag-Ableger bieten rund um die Autoindustrie auch Leiharbeit und Werkverträge an und provozierten immer wieder Arbeitskämpfe.

Seit August gingen Acciona-Beschäftigte mehrfach auf die Straße und stellten Sinn und Zweck des gesamten Vergabeverfahrens in Frage. Das Thema beschäftigte auf Antrag der Linksfraktion auch den Hessischen Landtag. Dabei beteuerte Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), das Verfahren sei auf der Grundlage europarechtlicher Vorgaben erfolgt. Kritische Gewerkschafter hingegen hinterfragen den seit Jahrzehnten verfolgten Kurs Richtung Liberalisierung, Privatisierung, Verdrängungswettbewerb und Lohndumping im Luftverkehr.

Um den zum 1. November 2017 vorgesehen Betreiberwechsel und damit das faktische Aus von Acconia auf dem Rhein-Main-Airport noch in letzter Minute abzuwenden, hatte die Firma Klage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingerecht. Mit ihrer Kundgebung vor dem Justizgebäude unterstrichen Acciona-Beschäftigte nochmals die Forderung nach Verbleib der Bodendienste bei Acciona und appellierten an die Richter, dies bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Ein reibungsloser Ablauf der Bodenabfertigung könne für Fluggesellschaften und Passagiere durch Acciona erhalten bleiben, heißt es in einem Offenen Brief des Betriebsrats. Und: »Ein Betreiberwechsel am größten Flughafen Deutschlands zum jetzigen Zeitpunkt wird aus unserer Sicht zu erheblichem Chaos führen.« Die Beschäftigten hoffen, dass das Gericht den Betreiberwechsel noch stoppt. Eine Entscheidung der Richter wird in den nächsten Tagen erwartet.

Anfang vergangener Woche hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrags mit Wisag verkündet, der den bisher für Acciona gültigen Tarifvertrag auf die WISAG Aviation Service ausweitet. Auf dieser Grundlage könne nun die bisherige Acciona-Belegschaft wie bisher weiter arbeiten, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von ver.di und Wisag-Management. »Wir haben einen tariflosen Zustand abgewendet und sichergestellt, dass die Beschäftigten die gleichen Arbeitsbedingungen haben werden wie bisher, wenn die WISAG Aviation die Konzession in Kürze übernimmt. Ver.di erwartet jetzt, dass alle Beschäftigten übernommen werden«, erklärte der federführende Frankfurter Gewerkschaftssekretär Ronald Laubrock.

Doch Acciona-Beschäftigte und Betriebsratsmitglieder trauen dem Frieden nicht und kritisieren die von Laubrock geäußerte Erwartung als »Augenwischerei«. Denn es sei keinesfalls sicher, dass allen bisherigen Beschäftigten ein gleichwertiger Arbeitsplatz angeboten werde. Nun könne WISAG »aus einem Pool von 1300 Beschäftigten nun die für sie geeigneten auspicken. Ältere Kollegen - oder auch jene mit Einschränkungen - werden hier klar auf der Strecke bleiben«, heißt es. Zudem befürchten Acciona-Beschäftigte, dass Wisag - wie in anderen Standorten - auch nun den Betrieb in mehrere Unternehmen aufspalten wolle und dadurch ein »Teile und Herrsche«-Spiel betreibe.