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Denkt denn keiner an die Hunde?!

Debatte in der AdK über Schloss, Wippe, Scheune

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Was die Vernunft, die Appelle, der gute Geschmack und der Lobbyismus nicht vermochten - die tiefen Ebenen der Verwaltung könnten es schaffen. Sie könnten mit ihren komplizierten Vorschriften zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit die unsägliche Wippe - auch geplantes »Einheitsdenkmal« genannt - gerade noch verhindern. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) würde sich zwar einen anderen Weg zur Vermeidung der peinlichen Einheitsschüssel wünschen: Bei einer Podiumsdiskussion in der Akademie der Künste am Dienstagabend sagte er, der Rückruf des schwankenden Mega-Denkmals durch ebenjene Abgeordnete, die es erst eingebrockt hätten, wäre doch ein tolles Symbol für die Freiheit der Parlamentarier. Aber sollte man sich auf deren Vernunft verlassen?

Dann doch lieber die Verwaltung. Der ebenfalls auf dem Podium sitzende Architekt Wilfried Wang wählte zur Illustration des immensen Aufwands, den die Wippe im alltäglichen Betrieb verursachen würde, ein so grausames wie groteskes Bild: »Was ist denn, wenn sich ein Hund unter die Wippe verirrt - kurz bevor diese sich neigt?« Das Publikum stockte kurz, um dann in ein Übersprungslachen zu verfallen.

Doch schwarzer Humor beiseite: Laut Wang sind bei den Ausführenden inzwischen große Zweifel entstanden, ob sich die kolossale Einheitsschale, die technisch scheinbar hochkomplex ist, im normalen Betrieb überhaupt umsetzen lässt. Und diese Zweifel bestehen zusätzlich zu den inhaltlichen, ästhetischen und jenen mit Bezug zum Schutz existierender Denkmäler, die durch die Wippe beschädigt würden.

Eröffnet wurde die Diskussion zwischen Lederer, Wang und der Akademie-Präsidentin Jeanine Meerapfel mit dem Thema Schlossattrappe. Auch wenn sich inzwischen zahllose Menschen fragen, wie in aller Welt sie das nur geschehen lassen konnten, ist das steingewordene Symbol einer schrägen historischen Rückbesinnung nun fast fertiggestellt. Laut Meerapfel sollte man das Schloss aber weiterhin kritisch begleiten - auch wenn es jetzt steht, es also nur noch um »verschüttete Milch« gehe: »Sonst werden wir übermorgen wieder mit Kitsch und Rekonstruktionen behelligt.« Lederer beklagte ideologische Hysterie, etwa in der Debatte um das geplante Kreuz auf der Kuppel des Humboldt-Forums, das er ablehnt: »Diese Diskussion wurde geführt, als habe man das Schloss zum zweiten Male sprengen wollen.«

Auch wenn man den drei Diskutanten und ihren größtenteils klugen Argumenten zustimmte, so war es doch schade - und eigentlich ein Fauxpas, der heute nicht mehr passieren sollte -, dass man sich auf dem Podium so einig war. Durch das Fehlen einer Stimme, die etwa die Schlossattrappe leidenschaftlich verteidigt hätte, war es am Dienstag wie so oft in einer ausschließenden und ängstlichen Debattenkultur, wie sie sich aktuell in vielen Bereichen etabliert: Auf der Bühne warfen sich drei durch keine Widerrede gebremste Kritiker gut gelaunt die Bälle zu - während bei jenen Teilen des Publikums, die sich nicht repräsentiert sahen, eine dumpfe Stimmung entstand, die sich in Zwischenrufen und gemurmelten Flüchen äußerte. Am Ende aber wurde die Veranstaltung für Publikumsfragen geöffnet.

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