nd-aktuell.de / 21.10.2017 / Politik / Seite 5

Albtraum Rückkehrer

Ihr Untertauchen bedeutet Unsicherheit für Jahrzehnte

René Heilig

Wie viele ausländische Dschihadisten zum Islamischen Staat und anderen Terrorgruppierungen nach Syrien, Irak und Libyen gegangen sind, wie viele von denen ausgebildet wurden und womöglich ob der Niederlagen ihrer Bewegung ernüchtert sind, weiß niemand. Bislang sind nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mehr als 950 Islamisten aus Deutschland Richtung Syrien und Irak ausgereist. 150 sind getötet worden, so lautet eine vom BND und dem BfV erarbeitete Schätzung. Die stützt sich auf Informationen befreundeter Dienste, die in den Kampfgebieten nach dem Verbleib ihrer Terroristen forschen. Insbesondere die Briten sind dabei angeblich sehr akribisch.

Der deutsche Verfassungsschutz rechnet damit, dass etwa 300 der aus Deutschland ausgereisten Dschihadisten wieder heimgekehrt sind. Sie alle im Blick zu behalten - und das auch noch rund um die Uhr - ist unmöglich. Auch elektronische Ausspähmöglichkeiten sind nur bei entsprechendem richterlich bestätigten Verdacht erlaubt.

Ein besonderes Problem für all jene, die Terror abwehren sollen: sogenannte Schläfer. Im terroristischen Handwerk gut geschulte Heimkehrer können sich - scheinbar geläutert - in ihr altes Umfeld eingliedern, um dann nach Monaten oder Jahren, alleine oder im Verbund mit neu rekrutierten Dschihadisten, zuzuschlagen. Der neue Islamische Staat - der vor allem ideologisch begründete ohne eigenes Staatsgebiet - hat alle Zeit, Rache vorzubereiten. Man erinnere sich nur an die gründlichen und geduldigen Planungen von Al Qaida.

Dass der dschihadistische Kampf gegen die »Ungläubigen« in Generationen fortgesetzt werden soll, ist keine Erfindung von Verfassungschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen. Salafismus-Experten registrieren hierzulande seit einiger Zeit eine Radikalisierung. Immer häufiger melden sich bei der Hotline des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Lehrer und Schulpsychologen aus ganz Deutschland, denen Kinder mit islamistischen Träumen auffallen. Sie haben IS-Videos auf ihren Smartphones und schwafeln - wie Selbstmordattentäter - von Belohnungen im Paradies. Heimkehrer könnten auf diese Kinder eine magische Anziehung ausüben.

Folgt man der Rechnung des Verfassungsschutzes, so gibt es noch 500 aus Deutschland nach Syrien und Irak Ausgereiste, deren Verbleib unklar ist. Es wäre fantasielos zu glauben, dass sie nun alle in ihr Ausgangsland zurückkehren. Dort sind sie bekannt, dort erwarten sie empfindliche Strafen und nicht wenige Familien sind in ihrer Not bereit, Behörden ins Vertrauen zu ziehen.

Also gehen die Dienste davon aus, dass die Netzwerke andere Möglichkeiten bieten, um sich aus verbliebenen Kampfgebieten zu entfernen und nach Europa zu kommen. Eine Möglichkeit: Man gibt sich als Flüchtling aus. Dabei könnte der Weg über Tunesien, das zunehmend als Transitland nach Europa dient, eine wichtige Rolle spielen.