Bahn will »signifikant« ergrünen

Konzern stellt Klimaschutzplan bis 2030 vor - Versprechen sind mit Vorsicht zu genießen

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf den ersten Blick lesen sich die Zahlen, mit der die Deutsche Bahn (DB) am Montag ihre neue grüne Kampagne garnierte, beeindruckend. So will man im Zeitraum 2006 bis 2030 den Treibhausgasausstoß bei vergleichbarem Stromverbrauch um mindestens 50 Prozent verringern. Und der Anteil der erneuerbaren Energien im DB-Schienenverkehr soll von derzeit 42 auf 70 Prozent im Jahr 2030 steigen. Im Vorgriff fahren schon mal ab Anfang 2018 alle Reisenden im Fernverkehr - also die, die ICE, IC oder EC nutzen - in Zügen, die allein mit Ökostrom angetrieben werden.

Berücksichtigt man allerdings, dass die Deutsche Bahn die EEG-Umlage zu zahlen hat, relativieren sich die Ziele schnell. Die DB zählt damit - wie zum Beispiel auch private Haushalte - zu den sogenannten nichtprivilegierten Verbrauchern, die mit ihren Beiträgen unter anderem die Milliardenrabatte für die energieintensive Industrie finanzieren. Wer mehr EEG-Umlage bezahlt, kann sich dann aber auch, so will es das Gesetz, einen höheren Anteil grünen Stroms in dem von ihm verbrauchten Strom anrechnen. Im Schnitt liegt der Anteil der Erneuerbaren im deutschen Strommix aktuell bei etwa einem Drittel, der für die »nichtprivilegierten Verbraucher« marschiert stramm auf die 40 Prozent zu. Ob die Verhältnisse 2030 viel anders aussehen werden, wo die Klimaschutzziele einen grünen Stromanteil von 70 bis 80 Prozent verlangen, kann man bezweifeln. Danach befragt, dass der Bahn mehr grüner Strom praktisch in den Schoß fällt, erklärte DB-Vorstandschef Richard Lutz am Montag denn auch nur trocken, dass man sich bemühen werde, den Ökoanteil am Stroms »signifikant« über dem zu halten, der sich ohnehin in Deutschland ergeben wird.

Auch andere Reduktionsversprechen der Deutschen Bahn sind mit Vorsicht zu betrachten: die geplante Halbierung ihrer spezifischen CO2-Emissionen. »Spezifisch« bedeutet nämlich nur: bezogen auf die Emissionen pro transportiertem Fahrgast oder Frachtgut. Es geht um relative Minderungszahlen - absolute waren dem DB-Chef hingegen schwer zu entlocken. Lutz begründete das damit, dass mit der gewollten Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene ja zusätzliche Leistungen auf die Bahn zukommen. Die dadurch bis 2030 zu erzielenden Einsparungen bezifferte der Vorstandschef auf neun Millionen Tonnen CO2.

In Sachen Klimaschutz sieht sich die Bahn zugegebenermaßen nicht gerade einfachen Umständen gegenüber. So stieg die von ihr zu zahlende EEG-Umlage von 40 Millionen Euro in 2012 auf aktuell 140 bis 150 Millionen Euro jährlich. Verglichen mit dem dieselsubventionierten Lkw-Verkehr ist das kein Pappenstiel, auch wenn die Kosten für den Antrieb der Züge an den gesamten DB-Kosten nur bei etwa zehn Prozent liegen.

Trotz der offensichtlichen Benachteiligung lässt sich DB-Chef Lutz bei den Forderungen gegenüber der Politik wenig Konkretes entlocken. Unterstützung einer CO2-Steuer? Befreiung von der EEG-Umlage? Reduzierung der Schienenmaut, also der Trassengebühr? Die Antworten sind ausweichend: Er, Lutz, sehe nur den »erkennbaren Willen« der Parteien, alle Anstrengungen zu unternehmen, das deutsche Klimaziel bis 2020 doch noch zu erfüllen.

Für die Bahn gibt es dabei, wie der DB-Chef betonte, klimapolitisch noch viel Luft nach oben. So seien gegenwärtig 70 Prozent des Netzes elektrifiziert. 80 Prozent hält Lutz für sinnvoll, auf den restlichen Strecken müsse man Lösungen mit alternativen Antrieben oder Speicherlösungen finden. Im Nahverkehr, wo die DB einen Marktanteil von 85 Prozent hat, müssten sich letztlich die auftraggebenden Kommunen, wie der Vorstandschef durchblicken ließ, dafür einsetzen, dass dort stärker mit grünem Strom gefahren wird.

Viel Luft nach oben gibt es nach Auffassung der Klimaschutzaktivisten von Fossilfree Berlin beim Divestment der Bahn, dem Abzug von Anlagegeldern aus klimaschädlichen Technologien. So investiere der bundeseigene Schienenkonzern nach wie vor in Kohle-, Öl- und Gasfirmen, um die Altersvorsorge des DB-Managements zu sichern. »Öffentlich zu erklären, dass die Industrie der fossilen Brennstoffe wegen ihren Emissionen aus Gründen des Klimaschutzes aus der DB-Finanzpolitik ausgeschlossen ist, blockt die Bahn bisher ab«, kritisiert Mathias von Gemmingen von Fossilfree. Offenbar möchte der Konzern immer noch nicht zu den fast 800 Institutionen und Unternehmen weltweit gehören, die sich der Divestment-Bewegung bereits angeschlossen haben.

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