nd-aktuell.de / 30.10.2017 / Brandenburg / Seite 12

Fürs Erste ein schmuckloser Turm

Allen Widerständen zum Trotz begann in Potsdam der Teilwiederaufbau der Garnisonkirche

Wilfried Neiße

»Dort, wo noch bis 1968 große Teile des Turms der Garnisonkirche von Krieg und Zerstörung zeugten und die Gemeinde das Gebäude wieder mit Leben füllte, beginnen wir neu.« Das erklärte Altbischof Wolfgang Huber, Vorsitzender des Kuratoriums, am Sonntag in seiner Predigt zum Baubeginn am historischen Ort. Der Turm sei »aus ideologischen Gründen gesprengt und die begonnene Versöhnungsarbeit unterbrochen« worden. Nun solle »erneut« ein Ort des Einsatzes für den Frieden entstehen. Geplant ist zunächst, den rund 90 Meter hohen Turm zu errichten. Er soll als Friedens-, Bildungs- und Versöhnungszentrum dienen.

Mehrere hundert Gäste und Besucher waren zur Teilnahme an dem Festgottesdienst erschienen. Die Polizei war mit einem stattlichen Aufgebot erschienen, um einen friedlichen Verlauf der Veranstaltung zu sichern. Denn auch einige Dutzend Gegner des Wiederaufbaus waren gekommen, um ihrem Protest Gehör zu verschaffen. Sie halten die Garnisonkirche für das »definitiv falsche Symbol«. »Kein Gebet, kein Staat, kein Kirchenimitat«, riefen sie den Feiernden zu. Die wiederum hielten ihnen »Geschichtsblindheit« vor.

Wie sehr das Vorhaben in der Landeshauptstadt umstritten ist, belegt nicht zuletzt die vor zehn Tagen vorgestellte Auswertung einer Umfrage zum Potsdamer Bürgerhaushalt. Dabei hatte eine deutliche Mehrheit der Befragten das Thema »Keine städtischen Mittel für den Aufbau der Garnisonkirche« auf Platz eins der Agenda gesetzt. 2014 war in der Stadtverordnetenversammlung ein von Gegnern der Garnisonkirche angestrebter Bürgerentscheid, einzig von der LINKEN konsequent unterstützt, ins Leere gelaufen. Die Stadt hat zwar kein Geld für das Projekt überwiesen, aber den Baugrund in bester Citylage kostenlos zur Verfügung gestellt.

Aus gegebenem Anlass rief Brandenburgs langjähriger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) Gegner und Befürworter zum Dialog auf. In einem Gastbeitrag für den »Tagesspiegel« schrieb Stolpe am Sonntag, in Kritikern sehe er keine Feinde. Fragen müssten sein. »Und wir Aufbauwilligen haben manche ausgelöst.«

Neben das Baufeld an der Breiten Straße, die nach Fertigstellung des Kirchen-Neubaus ihren Namen nicht mehr zu Recht ragen wird, war kirchliche Prominenz geladen. Angekündigt waren unter anderem Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst und die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Irmgard Schwaetzer (FDP). Im Anschluss gab es ein Fest zum Baubeginn.

Ausdrücklich war bei der Einladung empfohlen worden, sich witterungsgerecht zu kleiden, »da die Veranstaltung im Freien stattfindet.« Ein behindertengerechter Zugang zum Baufeld sei nur über die Werner-Seelenbinder-Straße möglich, benannt nach dem von den Nazis ermordeten kommunistischen Arbeitersportler. Der für den Vortag vorgesehen Gottesdienst in der Nagelkreuzkapelle entfiel, dafür sollen alle Stadtgemeinden am Reformationstag Gottes Segen für das Werk erflehen.

Einen weiteren Grund zum Feiern hat die Stiftung, weil ihr pünktlich zum Startschuss auch der Förderbescheid des Bundes ins Haus geweht war. Den Antrag hatte sie im Mai gestellt. Nun wurden schriftlich zwölf Millionen Euro bewilligt, die der verhaltenen Spendenbereitschaft auf die Sprünge helfen sollen. Das Geld aus dem Hause von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), dass den Baubeginn des Kirchenturms erst ermöglicht hat, soll ab 2018 vom Bund freigegeben werden.

Mit dem Bescheid ist die Finanzierung der 26 Millionen Euro teuren Grundvariante des Turmaufbaus gesichert - vorerst also ohne Turmhelm, Glockenspiel und barocken Zierrat. Für all dies sind weitere neun Millionen Euro nötig. Insgesamt soll der Turm rund 40 Millionen Euro kosten.

Das Rechenzentrum aus DDR-Tagen in unmittelbarer Nachbarschaft sollte zunächst abgerissen werden. Da es dem Turmbau nicht unmittelbar im Wege steht, bleibt es einstweilen stehen - als Künstlerhaus auf Zeit.

Die Garnisonkirche ist ihren Ruf als Symbol und Hort des preußischen Militarismus und vor allem als Kulisse für den Schulterschluss der Nationalsozialisten mit dem konservativen Preußen nie losgeworden. Befürworter verweisen auf die Bedeutung des Barockbaus für das Stadtbild und dass das Bauwerk künftig ein Versöhnungszentrum beherbergen solle.