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Snapchat wird umgebaut

Soziales Netzwerk macht massive Verluste und wächst zu langsam

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Beim Börsenstart im März glaubten viele Marktbeobachter, ein neues soziales Netzwerk zu sehen, das eines Tages Facebook oder Twitter Konkurrenz machen werde. Aber das Wachstum des Dienstes bleibt hinter allen Erwartungen zurück. Jetzt hat Snap, der Mutterkonzern von Snapchat, sogar die Überholung und Neugestaltung des Internetauftritts angeordnet, um den Dienst attraktiver zu machen. Einen Zeitplan für die Umgestaltung nannte der Konzern jedoch nicht.

Schon lange habe man sich anhören müssen, dass Snapchat schwer zu verstehen und unbequem zu nutzen sei. Deshalb habe man gehandelt, sagte Snap-Chef Evan Spiegel am Dienstag in einer Telefonkonferenz. »Wir werden es leichter machen, den weitreichenden Inhalt unserer Plattform zu entdecken, der bisher jeden Tag ungesehen bleibt.« Zugleich betonte Spiegel, bei jungen Nutzern in wichtigen Märkten stehe Snapchat weiterhin hoch im Kurs: Von den 13- bis 34-Jährigen in den USA, Frankreich, Großbritannien und Australien erreiche man 70 Prozent.

Snapchats Quartalszahlen sind schwächer ausgefallen als erwartet. Die Zahl der täglichen Nutzer stieg auf 178 Millionen, fünf Millionen mehr als im Vorquartal. Allerdings hat der Marktbeobachter FactSet 181,8 Millionen erwartet. Zum Vergleich: Der zu Facebook gehörende ähnliche Dienst Instagram hat täglich 300 Millionen Nutzer.

Snapchat ist auch weit davon entfernt, Gewinne einzufahren. Die Verluste steigen auf 443,2 Millionen Dollar (382,4 Millionen Euro). Das waren 0,36 Dollar pro Aktie, 250 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Wirtschaftsdienst Thomson Reuters war von einem Verlust von nur 0,32 Dollar pro Aktie ausgegangen.

Unter die Verluste fällt die Abschreibung von 30,9 Millionen Dollar für Spectacles, eine Brille mit Minikamera, die direkt Bilder auf Snapchat senden konnte. Man habe den Markt falsch eingeschätzt und mehr Geräte gekauft, als man absetzen könne, gestand Snap-Finanzchefin Drew Vollero ein.

Der Umsatz von Snapchat stieg im dritten Quartal auf 207,9 Millionen Dollar. Analysten hatten allerdings 236,9 Millionen erwartet. Diese Einnahmen kommen überwiegend aus der Werbung. Jeder Nutzer hat Snapchat 1,17 Dollar eingebracht im Vergleich zu 0,84 Dollar vor einem Jahr. Erwartet worden war allerdings auch wieder mehr. Und zwar 1,30 Dollar.

Bei dieser Entwicklung scheint es fraglich, ob Snapchat jemals zu den Großen im Internet aufschließen kann. Bei Facebook bringt jeder Nutzer dem Konzern 7,67 Dollar. Und das bei täglich 1,3 Milliarden Nutzern des sozialen Netzwerks. Für die schlechten Werbeeinnahmen macht man bei Snapchat eine neue Form der Anzeigenakquise verantwortlich, die von Google und Facebook benutzt wird, allerdings die Preise senkt.

Der Aktienkurs des im kalifornischen Venice beheimateten Unternehmens gab am Mittwochmorgen im vorbörslichen Handel in New York um zwölf Prozent nach, nachdem er bereits am Vorabend um 20 Prozent nach Unten gerutscht war.

Einige Investoren scheinen die Zukunft von Snapchat allerdings nicht so negativ zu sehen. Am Mittwoch teilte die chinesische Holding Tencent mit, dass sie einen zehnprozentigen Anteil an Snapchat erworben habe - als der Kurs niedrig war.

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