nd-aktuell.de / 16.11.2017 / Sport / Seite 19

Sorgenlos nach Russland

Mit dem 2:2 gegen Frankreich beenden die deutschen Fußballer das Jahr ungeschlagen

Alexander Ludewig

Wer kann das schon, vier Monate »völlig entspannt« arbeiten? Joachim Löw. Der Bundestrainer und seine Fußballer blieben in diesem Jahr ungeschlagen, das gelang einem DFB-Team letztmals 1997. Das 2:2 gegen Frankreich am Dienstagabend in Köln war zudem Löws 21. Partie in Folge ohne Niederlage. Und das nächste Spiel der deutschen Nationalmannschaft steht erst im März 2018 an.

2017 nannte Löw ein »überragendes Jahr«. 15 Spiele, elf Siege, eine makellose WM-Qualifikation mit zehn Siegen und einer Tordifferenz von 43:4 sowie der Gewinn des Confed Cups mit Spielern aus der zweiten Reihe. »Warum soll ich mir Sorgen machen«, fragte der Bundestrainer.

Löws Lockerheit am späten Dienstagabend war nicht nur die eines Weltmeistertrainers. Auch wenn ihm, was vollkommen richtig ist, testen und entwickeln bei Freundschaftsspielen wichtiger als nackte Zahlen sind, bleibt Fußball trotzdem ein Ergebnissport. Deshalb trug auch der späte Ausgleich gegen die Franzosen in der Nachspielzeit durchaus zur guten Laune des Bundestrainers bei. Und das gleich doppelt: in Form des Ergebnisses und in Gestalt der Protagonisten.

Einen feinen Außenristpass von Mesut Özil in die Tiefe des Strafraums hatte Mario Götze wunderbar gefühlvoll und direkt in den Lauf von Lars Stindl gespielt, der aus sieben Metern souverän vollendete. Özil blühte in der letzten halben Stunde im offensiven, zentralen Mittelfeld auf. Die Freiheiten dieser Position nutzt er kreativ, das Spiel auf den Halbpositionen oder der Außenbahn ist nicht seins. Götze gab nach einem Jahr und überstandener Stoffwechselkrankheit sein Comeback - und deutete sofort an, welch Gewinn er für die Mannschaft sein kann. Stindl ist einer von neun Neulingen, die Löw in diesem Jahr nominiert hatte. Er ist eine bereichernde Alternative: stark im Zusammenspiel, torgefährlich und in der Offensive vielseitig einsetzbar.

Noch wertvoller ist ein anderer Neuling des Jahres 2017: Timo Werner. Er gewann den Confed Cup, schoss in seinen zehn Länderspielen sieben Tore und bereitete zwei weitere vor. Dank seiner Schnelligkeit und Abschlussstärke sowie guten Laufwegen hat er sich im Sturmzentrum bereits etabliert. Sein Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1 gegen Frankreich unterstrich seine Stammplatzambitionen.

Mit vielversprechenden Neulingen, zu denen auch Linksverteidiger Marcel Halstenberg zählt, und gesetzten Spielern wie Toni Kroos, Joshua Kimmich oder Mats Hummels hat Löw den Umbruch vom Weltmeisterteam 2014 zu einer verjüngten Mannschaft angestoßen. Hinzu kommen noch Rückkehrer wie Götze oder Ilkay Gündogan, der auf der Sechserposition im defensiven Mittelfeld dem Spiel mehr geben kann als Sami Khedira. Und auf die rekonvaleszenten Münchner Manuel Neuer, Jerome Boateng und Thomas Müller kann der Bundestrainer auch noch bauen.

Alles hat noch nicht funktioniert, die Dreierkette in der Abwehr beim torlosen Remis gegen England noch sehr viel weniger als die Viererkette gegen Frankreich. Aber bis zur WM in Russland ist ja auch noch Zeit genug. Die »Feinabstimmung« kommt noch, beruhigte Löw. Aufgeregte Fragen gab es zu einem aufregenden Spiel, nach dem vor allem die französische Offensive in aller Munde war. Allen voran der 18-jährige Kylian Mbappe, der kaum zu stoppen war. Er bereitete auch das 2:1 von Alexandre Lacazette vor, der schon das erste Tor des Spiels erzielt hatte.

Die französische Nationalelf ist schon etwas weiter als die deutsche. Das liegt einerseits an Ausnahmespielern wie Mbappe. Am Dienstag fehlten mit Ousmane Dembele, Thomas Lemar oder Paul Pogba noch andere Hochkaräter. Andererseits wurde der Umbruch unter Didier Deschamps schon etwas früher vollzogen. Der Nationaltrainer sagte am 7. Juli 2016: »Deutschland ist noch immer die stärkste Mannschaft der Welt.« Damals hatte Frankreich im EM-Halbfinale mit 2:0 gewonnen. Es war die bislang letzte Niederlage der DFB-Elf. Am Dienstagabend, nach dem Spiel zweier ganz großer WM-Favoriten, lobte Deschamps nur sein Team - und verließ Köln ebenfalls ganz entspannt.