nd-aktuell.de / 18.11.2017 / Wissen / Seite 24

Chinesisch bald auf Platz eins

Bildungsrauschen

Lena Tietgen

Die sukzessive Einführung von Englisch als Lingua Franca in der Wissenschaft führt auch im akademischen Bereich zu Debatten. Die Universität Hohenheim hat auf didaktikblog.uni-hohenheim.de die Herausforderungen für Forschung und Lehre skizziert. Um keine Wettbewerbsnachteile zu bekommen - alle bibliometrischen Datenbanken und Rankingverfahren laufen im Wissenschaftsenglisch - müssen die Wissenschaftler die Sprache beherrschen, was keinesfalls, so die Uni, selbstverständlich sei. Studierende wie Lehrende haben in der Folge mit dem Mangel zu kämpfen. Das muttersprachliche Englisch decke sich nicht mit der Lingua Franca, kritisiert die Uni. Zudem bräuchten Lehrende eine angepasste Didaktik. Und selbst bei sehr Sprachkompetenten erfordere eine Fremdsprache »höhere kognitive Anstrengungen«. Die Sprache laufe »nicht vollautomatisiert« ab, man verfüge über einen »kleineren aktiven Wortschatz« und »weniger automatisiertes Regelwissen«. Bemängelt wird weiterhin, dass zu wenig Hochschulen ein »unterstützendes Angebot« bieten, wie zum Beispiel eine »fachkundige Anleitung« durch »kombinierte Angebote hochschuldidaktischer Einheiten mit universitären Fremdsprachenabteilungen«.

Die Universität Hamburg findet, es gebe zu viele Vergleichsstudien, die sich der Frage widmen, ob Englisch als Lingua Franca der Wissenschaft eine Bedrohung oder Bereicherung sei. Dabei werde sie nicht selten als dritte oder vierte Sprache erlernt. Als Teil einer Gesamtstudie untersucht die Hamburger Uni die Rolle mehrsprachiger Kompetenzen im Umgang mit Englisch als Lingua Franca der Wissenschaft. Dabei geht man davon aus, dass Mehrsprachige über ein »ausdifferenziertes Repertoire an grammatischen Strukturen und pragmalinguistischen Kenntnissen sowie erhöhte Sprachbewusstheit« verfügen. (nachhaltige.uni-hamburg.de.

2008 legte die Sprachwissenschaftlerin Anja Soltau eine umfangreiche Dissertation zu den »Charakteristika und Herausforderungen englischsprachiger Masterstudiengänge« vor. Komplex und in die Tiefe gehend untersuchte sie unter anderem den »Umgang mit auf die englische Sprache bezogenen Zulassungskriterien, sprachliche Erfahrungen, Motive und Erwartungen von Studierenden und Dozenten, interkulturelle Herausforderungen des International Classroom, Rolle des Englischen und des Deutschen in englischsprachigen oder internationalen Studiengängen«. (ediss.sub.uni-hamburg.de)

Laut spektrum.de sprechen zur Zeit »400 Millionen Menschen Englisch als Muttersprache, mehr als 430 Millionen als Zweitsprache und etwa 750 Millionen als Fremdsprache«. Mit Verweis auf Sprachforscher rechnet die Zeitschrift allerdings damit, dass in 50 Jahren Chinesisch, gefolgt von Hindi und Arabisch, führend ist. Auch Sprachen wie Bengalisch, Tamil oder Malaiisch werden an Bedeutung gewinnen während andere verschwinden. Vom Aussterben seien momentan »90 Prozent von etwa 6000 Sprachen« bedroht. Lena Tietgen