»Nicht auf mir ausruhen«

Die Umweltaktivistin Hanna Poddig über gemischte Gefühle als Preisträgerin und Verantwortung des Einzelnen

  • Lesedauer: 3 Min.

Gratulation zur Auszeichnung. Wie geht es Ihnen?

Eigentlich müsste der Preis nicht an mich gehen, sondern an die Leute, die es viel schwerer haben, die nicht ohnehin durch Prominenz geschützt sind, die nicht, wenn sie eine Pressemitteilung verschicken, zumindest ab und an Gehör finden. Nach dem G20-Gipfel saß jemand in Haft, weil er Glasmurmeln und Feuerwerk dabei hatte. Er hat sich nicht ausgesucht, dass er stattdessen eine Strafe zahlen könnte, sondern ist einfach mal zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er komplett harmlose Dinge mit sich im Rucksack herumgetragen hat. Das Gefühl ist, dass es auf einer Ebene nicht fair ist, dass ich den Preis kriege. Zugleich bietet er mir aber die Möglichkeit, um über wichtige Themen zu reden und Dinge bekannter zu machen, um auch Leuten, die sonst nicht viel mit derart Aktivismus zu tun haben, ein bisschen zu erklären, was ich mache, wie ich es mache und was es für mich bedeutet.

Der diesjährige Negativpreis geht an die Manager und Großaktionäre des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Wie finden Sie die Personalisierung?

Ich finde das sehr sinnvoll. Auch die politische Begründung finde ich gut. Die Leute verstecken sich allzu häufig hinter ihren Positionen, Vorstandsvorsitzenden und was auch immer. Sie verdienen drei bis zehn Jahre richtig viel Geld und sind dann wieder weg. An der Stelle muss gesagt werden: Ihr habt in dem Moment, wo ihr diese Position antretet, auch eine Verantwortung für die Taten des jeweiligen Konzerns. Wenn eine Privatperson sich für einen solchen Beruf entscheidet, dann kann auch die Privatperson als solche benannt werden. Anders herum greift die Argumentation aber bei widerständigen Einzelpersonen nicht.

Warum sollten, bei denen, die gutes bewirken, Einzelpersonen nicht herausgehoben werden? Was ist der Unterschied?

Für mein Gefühl wäre es stimmiger, man würde Preise an Initiativen oder Gruppen verleihen, denn auch da kann man einzelne Leute vorstellen. Aber ich selber habe noch nie einen Preis vergeben und das wäre auch nicht die erste Sache, die ich mir persönlich vorstellen könnte: Hey, ich verleih jetzt mal einen Preis.

Als öffentliche Person werden Sie auch zur Projektionsfläche. Auf der anderen Seite haben Sie die Möglichkeit ihre Standpunkte zu äußern.

Das ist immer genau das Dilemma. Inwieweit schaffe ich es, Leute zu inspirieren und dazu zu bewegen, selbst aktiv zu werden. Und inwieweit bin ich eben nur diese Projektionsfläche, auf der man sich ausruhen kann. Denn dann gibt es ja solche Leute und man kommt eben nicht raus aus diesem befriedenden Zustand. Das macht es dann unmöglich, wirklich etwas zu erreichen. Wenn sie in irgendeiner Form unterstützen, was ich mache, aber selber nichts eigenes auf die Beine stellen, ist es immer eine schwierige Frage: Ist das nur Gewissensberuhigung oder hat es noch etwas Emanzipatorisches und Empowerndes?

Was meinen Sie?

In vielen Kämpfen fehlen die Leute und zwar nicht die, die Geld geben, sondern die, die bei etwas die Initiative ergreifen, die sagen: »Ich will etwas und genau dafür trete ich jetzt auch ein.« Und das können dann 5000 Dinge sein, seien es Fahrradwege für den Kiez oder dass Leute den nächsten Bundeswehrtransport aufhalten. Es geht darum, aus der Ohnmacht auszubrechen. Da befürchte ich manchmal, dass man sich darauf ausruht, dass andere das für einen machen.

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