nd-aktuell.de / 27.11.2017 / Politik / Seite 8

Der Papst, Suu Kyi und die Rohingya

Die Unterstützung des Vatikan für muslimische Flüchtlinge stößt in Myanmar auf Widerstand

Daniel Kestenholz, Bangkok

Myanmar und seine Defacto-Führerin Aung San Suu Kyi stehen seit Monaten unter scharfer Kritik, muslimische Rohingya systematisch zu verfolgen und zu Hunderttausenden in die Flucht nach Bangladesch getrieben zu haben. Über 800 000 Menschen wurden verjagt, die Zahl der Todesopfer wird auf rund 2000 geschätzt. Doch der Papst dachte nicht an eine Absage der Reise. Er stellt sich den diplomatischen und moralischen Dilemmata, von Gastgebern empfangen zu werden, die nach UN-Auffassung Blut an ihren Händen haben. Die UNO wirft Myanmar »ethnische Säuberung nach Schulbuch« vor, und auch die nun verkündete Einigung mit Bangladesch über eine Rückkehr der Flüchtlinge lässt viele Fragen offen. Der Prozess könnte Jahre dauern.

Der Exodus ist die größte Flüchtlingsbewegung seit Ruanda. Die Rohingya flohen vor marodierenden und brandschatzenden Truppen, Bürgerwehren und militanten Buddhisten. Berichte über Massenvergewaltigungen von Frauen und Mädchen sind mittlerweile gesichert. Menschen sollen in Feuer geworfen, erschossen oder gelyncht worden sein. Inzwischen sprechen auch die USA offiziell von »ethnischer Säuberung« in Myanmar; gezielte Sanktionen gegen Militärführer könnten der nächste Schritt sein. Der Besuch des Papstes, der an die ethischen, moralischen und religiösen Verpflichtungen der Gastgeber und Nächstenliebe appellieren will, dürfte ihn in Konflikt mit Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und mit einigen seiner eigenen Bischöfe bringen.

Papst Franziskus hat sich in seinem Pontifikat unermüdlich für Flüchtlinge eingesetzt und »muslimische Themen« behandelt. Im vorwiegend buddhistischen Myanmar, wo selbst militante Mönche ungestraft zu Gewalt gegen Rohingya aufrufen, kommt diese Papstbotschaft schlecht an. Katholische Bischöfe in Myanmar forderten Franziskus auf, während seines Besuchs keine Unterstützung für die Rohingya auszudrücken. Der Papst »muss sehr vorsichtig sein, damit wir weiterhin mit der neuen Regierung, dem Militär und dem Volk kommunizieren können«, sagte Kardinal Charles Bo, Erzbischof von Yangon. Das Thema, so warnte der Kardinal, könne die Demokratiebewegung unter Suu Kyi schwächen und eine Gegenreaktion militanter Buddhisten gegen die christliche Minderheit des Landes provozieren.

Die Sichtweise der Außenwelt auf die Krise sei von »muslimischer Propaganda« geprägt, sagte der Kardinal, und drückte damit seine Sympathie für eine militärische und öffentliche Reaktion auf die Bedrohung durch militante Rohingya aus. Eine abgerissene Rebellengruppe namens Arsa (Arakan Rohingya Salvation Army) wird von Myanmar für die Gewalt verantwortlich gemacht.

Gemeinsam mit den Bischöfen des Landes hat Kardinal Bo den Papst insbesondere dazu aufgefordert, den Begriff »Rohingya« zu vermeiden, der seiner Meinung nach Ansprüche auf einen historisch ungerechtfertigten Status als indigene Volksgruppe beinhaltet. Die Verwendung des Begriffs könne zu einer »unkontrollierbaren« Situation führen. Der Papst dürfe sich nicht zu solidarisch mit Muslimen in Rakhine zeigen. Buddhisten könnten wütend werden und Gewalt auslösen.

Papst Franziskus hat sich bisher offen über die Notlage der Rohingya geäußert. Er beklagte die Verfolgung »unserer Brüdern« und forderte ihre »vollen Rechte«. Myanmar erkennt sie nicht als Bürger an und bezeichnet sie als »Bengalis«, obwohl viele von ihnen seit Generationen im Land leben. Suu Kyi hat populistische, ja paranoide bis islamfeindliche Züge angenommen. Von inzwischen unanfechtbar dokumentierten Übergriffen gegen Rohingya will sie nichts wissen; im Gegenteil vermengte sie unlängst Migration und Terrorismus, ohne die Massenflucht und eigene Terrortaten mit einem Wort zu erwähnen. Sie erachtet jahrzehntelang stillschweigend geduldete Migration als Existenzbedrohung für Myanmars buddhistische Mehrheitsbevölkerung, obschon Muslime nur 3,8 Prozent der 52 Millionen Einwohner ausmachten. Es gibt im Land etwa zwei Millionen Muslime 4,2 Millionen Christen aller Konfessionen, darunter 650 000 Katholiken. Wobei fast die Hälfte der Muslime das Land inzwischen verlassen haben.

Der Besuch von Franziskus ist der erste eines Papstes im mehrheitlich buddhistischen Land, sieben Monate nach der Aufnahme der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Myanmar. In einem letzte Woche veröffentlichten Video sagte der Papst, er bringe eine »Botschaft der Versöhnung, der Vergebung und des Friedens«.

Vor seiner Weiterreise nach Bangladesch wird er auch General Min Aung Hlaing treffen, Oberbefehlshaber der Streitkräfte Myanmars - und Kardinal Bo hofft, dass der »Papst ihn beeinflussen und sein Herz erweichen kann«.