nd-aktuell.de / 27.11.2017 / Berlin / Seite 12

Gesicht zeigen mit Werner Seelenbinder

Am Amtsgericht Köpenick soll bald eine Nachbildung der 2003 gestohlenen Gedenktafel angebracht werden

Andreas Fritsche

Es gibt bis heute in Ostdeutschland viele Straßen, Schulen und Sportstätten, die nach Werner Seelenbinder (1904-1944) benannt sind. Außerdem erinnern etliche Büsten und Gedenktafeln an den Ringer, der sechs deutsche Meistertitel im Halbschwergewicht gewann und bei den Olympischen Spielen 1936 einen vierten Platz belegte - vor allem jedoch an den Kommunisten Seelenbinder, der antifaschistischen Widerstand leistete und deswegen 1944 im Zuchthaus Brandenburg ermordet wurde.

Eine Gedenktafel fehlt jedoch seit Jahren: die am Amtsgericht Köpenick. 2003 wurde sie entwendet. Über die Täter und den Verbleib der Tafel ist nichts bekannt. Doch eine extra gegründete Bürgerinitiative kümmert sich um eine Nachbildung der Tafel. Möglichst am Jahrestag von Seelenbinders Hinrichtung, am 24. Oktober, sollte sie eigentlich eingeweiht werden. Doch wie Initiativensprecher Michael Fuchs erläutert, haben sich die Bemühungen um Fördermittel vom Bezirk hingezogen. Debatten im Kulturausschuss und in der Bezirksverordnetenversammlung »verzögerten leider den Einweihungstermin«. Mehrfach waren Entscheidungen, über den von der Linksfraktion eingebrachten Antrag auf eine finanzielle Unterstützung, vertagt worden.

Man wolle die Tafel nun im Dezember anbringen lassen, kündigt Michael Fuchs an. Das genaue Datum stehe noch nicht fest. Ein Tonabdruck nach einem Foto der alten Tafel sei bereits fertig und für 1354,62 Euro abgerechnet, berichtet Fuchs. Derzeit laufe Phase zwei mit Bronzeabguss, Lieferung und diebstahlsicherer Montage. Kostenpunkt: 1999,83 Euro. Da es sich um eine originalgetreue Nachbildung handelt, wie von der Bürgerinitiative gewünscht, steht auf der Tafel die ursprüngliche Inschrift: »Dem mutigen Kämpfer gegen Faschismus, Imperialismus und Krieg Werner Seelenbinder zum Gedenken.«

Darüber hatte es in der Kommunalpolitik Diskussionen gegeben. Wäre eine modernere Textfassung nicht angemessener, so wurde gefragt. Doch es hat sich eine Lösung gefunden, mit der alle leben können. Die Bürgerinitiative soll unter Einbeziehung des Kulturausschusses für 200 Euro noch eine zusätzliche Tafel anfertigen lassen, auf der die Geschichte des Gedenkens an Seelenbinder an diesem Ort erläutert wird und die Sponsoren genannt werden. So geschieht es nun. 1327,60 Euro hat das Bezirksparlament aus Sondermitteln, Haushaltstitel 68406, bewilligt. Zusätzlich hatte die Bürgerinitiative 600 Euro aus einer Kiezkasse locker gemacht und Spenden gesammelt. Rund 300 Euro trieb der LINKE-Kreisverband Treptow-Köpenick für das Anliegen auf.

Wenn die Gedenktafel endlich hängt, löst sich die Bürgerinitiative aber keineswegs auf. Sie hat noch einiges vor, beispielsweise möchte sie etwas zur Biografie Seelenbinders veröffentlichen -, ergänzt um die Geschichte seiner Ehrung, wobei der Schwerpunkt auf Berlin liegen soll. Dazu wurde bereits fleißig Material gesammelt und auch im nd-Archiv angefragt. Dort lagert ein dicker Stapel mit Fotos, auf denen entweder Werner Seelenbinder selbst zu sehen ist oder auf denen Szenen einiger Veranstaltungen festgehalten sind, die im Laufe der Jahrzehnte an den kommunistischen Arbeitersportler erinnerten. Nicht zufällig befand sich eine Tafel mit dem Konterfei Seelenbinders beim VEB Elektro-Apparate-Werke in Treptow. Denn als dieser Betrieb noch zum AEG-Konzern gehörte, war Seelenbinder dort als Transportarbeiter beschäftigt.

facebook.com/SeelenbinderKoepenick/